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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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sich dabei um zwei Blanko-Leihscheine der Staatsbibliothek handelt. Doch das alles reicht nicht für eine Personenfeststellung. Deshalb erhält der Leichnam den Status „Unbekannte Tote“.
    Aus dieser Zuordnung ergeben sich wichtige Konsequenzen für die gerichtliche Sektion und die kriminalistischen Ermittlungen. So gilt es, neben der Klärung der Todesart, der Todesursache, der Todeszeit, der Bestimmung des Tatwerkzeuges und der Begehungsweise alle für eine Identifizierung notwendigen Spezialuntersuchungen durchzuführen. Dr. Drechsler muß den Zahnstatus der Frau, ihre exakten Körpermaße, das Lebensalter und die Blutgruppeneigenschaften ergründen. Gleichzeitig müssen neben den Ermittlungen zum Täter die polizeilichen Maßnahmen der Identifizierung realisiert werden. Dazu gehören vor allem die erkennungsdienstliche Behandlung der Toten, die Abnahme ihrer Fingerabdrücke, das Anlegen der sogenannten Kleiderkarte – die markante Stoffproben jener Kleidungsstücke enthält, die bei der Ermordeten gefunden wurden –, aber auch die Eröffnung eines Vermißtenvorgangs, auf dessen Grundlage eine polizeilich interne Vergleichsarbeit ermöglicht wird.
    Das alles sind Aufgaben, die mehrere Arbeitstage in Anspruch nehmen werden.
    Erst mit einbrechender Dämmerung beendet Oberleutnant Wischnewski die Tatortuntersuchung. Obwohl er reichlich trassologische und biologische Spuren gesichert hat, sind diese für eine Identifizierung nicht geeignet, dienen allenfalls der Klärung des Tatablaufs. Vielitz und Meinicke befragen den Auffindungszeugen, einen Rentner, der beim Holzsammeln im Wald die Leiche zufällig entdeckt hat. Seine Wahrnehmungen werden gewissenhaft protokolliert.
    Am Donnerstag, dem 25. März, leitet Oberleutnant Vielitz wegen Verdachts des Mordes ein Ermittlungsverfahren gegen „Unbekannt“ ein. Er veranlaßt, alle Vermißtenanzeigen der letzten beiden Tage in Berlin und im Gebiet von Frankfurt/Oder, dem an die Hauptstadt grenzenden Verwaltungsbezirk, zu überprüfen. Nach wenigen Stunden weiß er, nirgends ist das Verschwinden einer Frau dieses Alters gemeldet worden.
    Auch der 26. März vergeht, ohne daß eine zutreffende Vermißtenanzeige erstattet wird.
    Das stimmt Oberleutnant Vielitz nachdenklich. Denn die tote Frau machte einen gepflegten, kultivierten Eindruck, war offensichtlich keine Herumtreiberin. Sie kann doch nicht in einem luftleeren Raum gelebt haben, muß doch eine Familie, einen Freund oder Ehemann besitzen. Außerdem fehlt sie seit gestern auf ihrer Arbeitsstelle. Und irgend etwas muß sie mit der Staatsbibliothek zu tun haben. Doch dort gibt es unzählige Leser. Zumindest dürfte sie eine besondere Beziehung zu Büchern haben.
    Vielleicht sollte man zur Beschleunigung der Identifizierung in Berlin und Frankfurt/Oder eine Information in der Presse veröffentlichen. Doch das Vorhaben scheitert bereits beim Dezernatsleiter mit dem Argument: noch viel zu früh, erst mal alle eigenen Möglichkeiten ausschöpfen. Eins bleibt: Die Frau ist brutal ermordet worden, der Täter ist unbekannt.
    Am späten Nachmittag ruft ihn der Oberarzt an, das Sektionsergebnis und alle für die Identifizierung erforderlichen Daten liegen komplett vor, der Sexualmord ist bewiesen, es sei auch eine Spermaspur gesichert worden, deren Untersuchung aber erst am nächsten Montag abgeschlossen sein wird.
    „Das ist wenigstens etwas“, denkt Vielitz, „ausreichende Vergleichsmöglichkeiten liegen also vor.“ Nur die Frage, womit verglichen werden soll, läßt sich noch nicht beantworten.
    Es ist der Abend des 27. März, kurz vor 21 Uhr. Vielitz entspannt sich gerade vor dem häuslichen Fernseher, als ihn ein dringender Anruf des Kriminaldienstes der VP-Inspektion Köpenick erreicht. Dort war gegen 20.30 Uhr der 39jährige Mathematiker Dr. Wolfgang Görschdorf aus Rahnsdorf erschienen, um das Verschwinden seiner 30jährigen Ehefrau Gabriele, die ebenfalls promovierte Mathematikerin sei, anzuzeigen. Diese habe am Morgen des 24. März, bekleidet mit einem Mantel mit braun-weißem Fischgrätenmuster, das Haus verlassen. Sie wollte zu ihrer Arbeitsstelle, der Sektion Mathematik an der Humboldt-Universität, wo sie als wissenschaftliche Assistentin tätig sei. Am Abend des gleichen Tages habe er sie zu Hause zurück erwartet. Doch seit dieser Zeit fehle jede Spur von ihr.
    Es dauert nur eine knappe Stunde, bis Vielitz und Meinicke zur Stelle sind. Denn dieser Mann, der das Verschwinden der eigenen Frau erst nach Tagen

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