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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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Mißhandlung standen dabei die Kindestötungen im Vordergrund. Sie stellen ein besonderes rechtliches, kriminologisches und psychologisches Problem dar, das einer kurzen Erläuterung bedarf.
    Angriffe gegen das neugeborene Leben unterlagen im Verlaufe der Geschichte höchst unterschiedlicher rechtlicher und moralischer Bewertung. Nach dem auf dem Reichstag zu Regensburg im Jahre 1532 verabschiedeten ersten deutschen Strafgesetzbuch, der „Peinlichen Halsgerichtsordnung“ Karls des V., wurde der Tatbestand der Kindestötung als eine Todsünde angesehen und grundsätzlich mit „lebendig Begraben, Pfählen, Ertränken oder Reißen mit glühenden Zangen“ bestraft.
    Zeichnet man das typische Bild der Täterinnen dieser Zeit nach, so waren es junge, der Pubertät kaum entwachsene, unreife und unerfahrene Mädchen, die dem sexuellen Drängen männlicher Autoritätspersonen, die häufig sogar ihre Dienstherren waren, nachgaben oder die sich unbekümmert und unwissend in ein amouröses Abenteuer einließen.
    Entzog sich der Schwängerer der Verantwortung, entstand für die Schwangere eine bedrohliche soziale Konfliktlage. Denn die öffentliche Moral brandmarkte die unehelich Gebärende mit Ehrlosigkeit. Das führte zu gesellschaftlicher Isolation und eine Anstellung blieb ihr zumeist versagt. Damit wurde die Versorgung eines Kindes finanziell unmöglich. Der soziale Zusammenbruch war vorprogrammiert.
    Trotz der offenkundigen sozialen Ursachen blieb die Kindestötung lange Zeit eine dem Mord gleichgestellte, mit höchster Strafe zu ahndende Bluttat. Erst sehr viel später, nicht zuletzt infolge der progressiven Bemühungen der deutschen Aufklärer, sah sich die Legislative gezwungen, wenigstens der besonderen sozialen Ausnahmesituation der Kindestöterin Rechnung zu tragen.
    Mit dem Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich des Jahres 1871 erfolgte insofern eine strafrechtliche Privilegierung, als die Kindestötung gemäß § 217 grundsätzlich milder bestraft wurde, als die sonstige vorsätzliche Tötung eines Menschen. Voraussetzung dafür war, daß eine Mutter ihr nichteheliches Kind in oder gleich nach der Geburt tötete. Die schwerwiegenden sozialen Umstände bei der Kindesmutter rechtfertigten den sogenannten Ehrennotstand aber nur dann, wenn diese also ihrem nichtehelichen Kind das Leben nahm. Dies galt folglich nicht für jene Kindesmutter, die unter den gleichen Bedingungen ihr eheliches Kind tötete.
    Das Strafgesetzbuch des Jahres 1871 besaß auch nach dem zweiten Weltkrieg sowohl in West- als auch in Ostdeutschland volle rechtliche Wirksamkeit, wenn auch entsprechende Strafrechtsergänzungsgesetze notwendig wurden.
    In der DDR wurde im Jahre 1968 ein eigenständiges, sozialistisches Strafgesetzbuch in Kraft gesetzt. Es enthielt viele der progressiven Bestandteile des alten StGB, insbesondere aus dem sogenannten Allgemeinen Teil, paßte die Tatbestände aber den politischen und gesellschaftlichen Erfordernissen an. Systemtypische Delikte, die sich primär auf den Schutz der Staatsordnung und der Wirtschaft bezogen, machten schließlich mehr als die Hälfte aller Tatbestände aus.
    Hinsichtlich der Kindestötung gab es seit dieser Zeit eine wichtige Veränderung: Der Tatbestand war bereits erfüllt, wenn eine Frau ihr Kind in oder gleich nach der Geburt tötete.
    Die rechtliche Würdigung erfolgte nunmehr nach den allgemeinen psycho-physischen Besonderheiten bei der Täterin und nicht nach den sozialen Ausnahmebedingungen. Damit besaß das Merkmal der Nichtehelichkeit keinen Einfluß mehr.
    Die tatsächlichen psychologischen und medizinischen Abläufe bei der Täterin berücksichtigende Rechtsposition rechtfertigte es, das Merkmal der Nichtehelichkeit aus dem Tatbestand der Kindestötung herauszunehmen. Es war nicht mehr einzusehen, daß – im Gegensatz zur Situation im vorigen Jahrhundert – unter den Bedingungen der sozialen Emanzipation der Frau, der veränderten ethisch-moralischen Beurteilung lediger Mütter in der Gesellschaft und ihrer offiziellen rechtlichen Gleichstellung noch diese Unterscheidung in den Rechten der ehelichen und der unehelichen Mütter gemacht werden sollte, wenn sie doch sonst gleichgestellt waren.
    Statistisch verliefen die Kindestötungen in der DDR nahezu parallel zur allgemeinen Tötungskriminalität und überstiegen kaum einen Anteil von 20 % der vollendeten vorsätzlichen Tötungen.
    Das in den sechziger Jahren von der Volkskammer verabschiedete Gesetz zur Regelung der

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