El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
Erzbischof Héctor Martínez González hatte behauptet, Chapo halte sich in den Bergen von Durango auf, und die Behörden gingen kein Risiko ein. Sie hatten ihn 2006 schon einmal in der Gegend gesichtet. Als er in einem SUV durch eine Stadt fuhr, war er von Überwachungskameras erfasst worden, doch Armee und Polizei trafen nicht mehr rechtzeitig ein. 362 Nun wurden routinemäßig Patrouillen in der Gegend durchgeführt. 363
Als er sich den Fragen nach dem Verbleib des Drogenbarons stellte, wirkte Generalstaatsanwalt Eduardo Medina Mora müde und ausgelaugt. Immer wieder versuchte er den Medien zu vermitteln, dass Chapos Ergreifung nicht die ultimative Lösung darstelle, sondern dass der Krieg gegen die Drogen ein langwieriger und komplexer Prozess sei. In den Augen seiner US-amerikanischen Kollegen mochte Medina Mora ein Held sein, den sie seiner Integrität und Entschlossenheit wegen bewunderten – auf eine zunehmend enthemmtere Pressemeute wirkte er manchmal, als stünde er am Rande der Kapitulation. Kein Wunder, denn einmal hatte er sogar erklärt, das Ziel des Drogenkrieges könne »nicht sein, den Drogenhandel und die Drogenkriminalität vernichtend zu schlagen« . 364
Auch Genaro García Luna schien von Zeit zu Zeit die Luft auszugehen.
»Angesichts der Versuchung«, so sagte er, »wird es immer Leute geben, die das Spiel spielen werden, sei es per Flugzeug oder per Hubschrauber, zu Land oder zu Wasser, denn es existiert
ein realer Markt. Es gibt auf der Welt kein vergleichbares Produkt.« 365
Doch im Mai 2009 hatten die beiden zu alter Entschlossenheit zurückgefunden. »Neue kriminelle Vereinigungen sind entstanden … Chapos Funktionen und seine Rolle wurden von anderen Mitgliedern der Organisation übernommen«, ließ Medina Mora verlauten. »Er bleibt zwar eine Symbolfigur … aber er ist weniger präsent und, was die alltäglichen Routineoperationen der kriminellen Vereinigung angeht, weniger von Bedeutung. Dennoch bleibt die Festnahme von Sr. Joaquín Guzmán Loera eine Priorität der Regierung.« 366
In der Zwischenzeit hatten mehrere Razzien stattgefunden, bei denen die Einsatzkräfte nur knapp zu spät kamen. Armeeangehörige in Sinaloa gestanden ein, dass es möglich sei, dass Chapos Männer im Voraus von Leuten aus ihrem Stützpunkt vor Razzien gewarnt wurden. Mehrere von General Sandovals Untergebenen wurden suspendiert. Gegen sie liefen Ermittlungen wegen des Verdachts, Informationen an Chapo und dessen Männer weitergegeben zu haben. In Guerrero, dem Bundesstaat im Süden, wurden ebenfalls neun Soldaten unter demselben Vorwurf festgenommen. 367
Guerrero hatte immer schon zu Chapos Einflussgebiet gezählt, da es lange Zeit von den Beltrán-Leyva-Brüdern kontrolliert wurde, die in seinem Auftrag handelten.
Obwohl Chapo ein Haus in Las Brisas, einem exklusiven Villenviertel von Acapulco, besaß, hatten die Brüder jedoch hohe Polizeikommandeure, lokale Kidnappergangs und andere Verbrecherorganisationen dazu gebracht, für sie zu arbeiten. Mit einer größeren Hafenstadt und einer schier endlosen, unberührten Küste eignete sich Guerrero hervorragend zur Distribution von Kokain, und die Bergregionen, die in ihrer Unzugänglichkeit nur noch von Sinaloa übertroffen werden, waren das ideale Anbaugebiet für Opium und Marihuana.
Als die Beltrán-Leyva-Brüder mit Chapo brachen, kam es in Guerrero zum Krieg. Im ganzen Staat bekämpften sich rivalisierende Gangs. Der Bodycount nahm Dimensionen an, die bis dahin Ciudad Juárez und Culiacán vorbehalten waren. An manche der Leichen waren mit »El Jefe de Jefes« (»Boss der Bosse«) signierte Mitteilungen geheftet.
Marcos Arturo Beltrán Leyva, alias El Barbas, war nun offenbar der alleinige Jefe der Stadt.
Die Beltrán-Leyva-Brüder verfügten in ganz Mexiko über ein engmaschiges Korruptionsnetz. Aber Guerrero gehörte faktisch ihnen. Zudem hatten sie eine feste Basis in Culiacán und sich des Öfteren um Allianzen mit ihren Konkurrenten in Ciudad Juárez bemüht. Nicht wenige mexikanische Beamte – vom Durchschnittsmexikaner ganz zu schweigen – fragten sich, ob Chapo entthront werden würde. 368
Tatsächlich musste Chapo einige schwere Verluste wegstecken. In Jalisco nahmen die Federales einen seiner Top-Leutnants fest. Der Mann hatte die Geschäfte in Jalisco geleitet und war einer von Chapos engsten Vertrauten. 369
In Culiacán wurde Roberto Beltrán Burgos, alias »El Doctor«, gefasst. Ebenfalls ein enger Vertrauter Chapos, hatte
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