Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elantris

Elantris

Titel: Elantris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
Vom Netzwerk:
und nachdenken zu können. Hrathen war sich selbst nicht sicher, was ihn zu der Stadt hinzog. Teilweise war es Neugier. Er hatte Elantris nie auf dem Gipfel seiner Macht erlebt und konnte sich nicht erklären, wie etwas, selbst eine derart herrliche Stadt, wiederholt Fjordens Ansturm hatte standhalten können, erst in militärischer und dann in theologischer Hinsicht.
    Abgesehen davon empfand er eine gewisse Verantwortung gegenüber den Menschen - oder was immer sie waren -, die in Elantris lebten. Denn er benutzte sie und hielt sie als Feind bild empor, um seine Anhänger zu vereinen. Er fühlte sich schuldig. Die Elantrier, die er bisher zu Gesicht bekommen hatte, waren keine Teufel, sondern arme Wesen, die von einer Art schrecklicher Krankheit befallen waren. Sie hatten Mitleid und keine Verdammnis verdient. Trotzdem würden sie als seine Teufel herhalten müssen, denn er wusste, dass dies der einfachste und harmloseste Weg war, um Arelon zu vereinen Wenn er das Volk gegen die Regierung aufhetzte, wie er es in Duladel getan hatte, würde es Mord und Totschlag geben. Sei ne derzeitige Methode würde zwar auch zu einem Blutbad führen, aber er hoffte, zu einem weitaus kleineren.
    Oh, welche Bürden wir im Dienste Deines Reiches auf uns nehmen müssen, Lord Jaddeth, dachte Hrathen. Es war egal, dass er im Namen der Kirche gehandelt oder dass er Abertausende Seelen gerettet hatte. Die Welle der Zerstörung, die Hrathen in Duladel ausgelöst hatte, rieb wie ein Mühlstein an seiner Seele. Menschen, die ihm vertraut hatten, waren tot, und eine ganze Gesellschaft war ins Chaos gestürzt worden.
    Doch Jaddeth verlangte einem Opfer ab. Was war das Gewissen eines einzelnen Mannes im Vergleich zur himmlischen Herrlichkeit des göttlichen Gebots? Was war schon ein gewisses Maß an Schuld, wenn nun ein ganzes Land unter Jaddeths sorgsamem Auge vereint war? Hrathen würde für immer die Narben dessen, was er getan hatte, mit sich tragen, doch es war besser, ein einzelner Mann litt, als dass eine ganze Nation weiterhin in der Ketzerei verharrte.
    Hrathen wandte sich von Elantris ab und blickte stattdessen in Richtung der blinkenden Lichter Kaes. Jaddeth hatte ihm eine weitere Gelegenheit gegeben. Diesmal würde er die Sache anders angehen. Es würde keine gefährliche Revolution geben, kein Blutbad, weil sich eine Klasse gegen eine andere erhob. Behutsam würde Hrathen Druck ausüben, bis Iadon zusammenbrach und ein anderer, gefälligerer Mann seinen Platz einnahm. Daraufhin würde sich der arelische Adel ohne Weiteres bekehren lassen. Die Einzigen, die wirklich zu leiden hatten, die Sündenböcke im Rahmen seiner Strategie, waren die Elantrier.
    Es war ein guter Plan. Er war sich sicher, diese arelische Monarchie relativ mühelos niederschmettern zu können. Sie wies bereits Risse auf und war schwach. Das Volk von Arelon war so unterdrückt, dass er rasch eine neue Regierung würde einsetzen können, bevor den Menschen Iadons Sturz auch nur zu Ohren kam. Keine Revolution. Alles würde sauber ablaufen.
    Außer ihm unterlief ein Fehler. Er hatte die Bauernhöfe und Städte in der Umgebung von Kae besucht und wusste, dass die Menschen unerträglich niedergeknüppelt waren. Wenn er ihnen auch nur die geringste Gelegenheit gab, würden sie sich erleben und die gesamte Adelsklasse niedermetzeln. Die Möglichkeit machte ihn nervös - vor allem, weil er wusste, dass er Nutzen daraus ziehen würde, falls es passieren sollte. Der logische Gyorn in seinem Innern würde auf der allgemeinen Zerstörung reiten wie auf einem Hengst und sie dazu nutzen, ein ganzes Volk in Anhänger des derethischen Glaubens zu verwandeln.
    Seufzend drehte Hrathen sich zur Seite und setzte seinen Spaziergang fort. Dieser Abschnitt des Wehrgangs wurde von der Wache sauber gehalten, aber wenn er sich zu weit entfernte, würde er einen Ort erreichen, der mit einer dunklen, öligen Schmutzschicht bedeckt war. Er war sich nicht sicher, woher der Dreck rührte, aber er schien die Mauer vollständig einzuhüllen, sobald man den Abschnitt in der Nähe des Eingangstors hinter sich ließ.
    Bevor er jedoch den Schmutz erreichte, bemerkte er eine
Gruppe Männer auf dem Wehrgang. Sie trugen Umhänge, ob wohl die Nacht nicht allzu kalt war. Vielleicht glaubten sie, die Kleidungsstücke würden ihnen Anonymität gewähren. Falls das jedoch die Absicht gewesen sein sollte, hätte Herzog Telrii sich vielleicht für etwas anderes als einen kostbaren lavendelfarbenen Umhang mit

Weitere Kostenlose Bücher