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Elantris

Elantris

Titel: Elantris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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zielstrebig. Er wird schnurstracks durch das Gebäude marschieren, ohne auch nur einmal nach oben zu schauen.«
Raoden fluchte und ging neben dem Türrahmen in die Knie, um nachzudenken. Lange Zeit blieb ihm jedoch nicht, denn schon bald hörte er Stimmen nahen. Im nächsten Augenblick erschien Dashe im Türrahmen rechts von ihnen.
Raoden, der sich auf halbem Wege zwischen Dashe und der eingestürzten Mauer befand, holte tief Luft und rief dann: »Dashe, stehen bleiben! Dies ist eine Falle. An dem Gebäude ist herumgemurkst worden. Es besteht Einsturzgefahr!«
Dashe blieb stehen, aber die Hälfte seiner Männer befand sich bereits in dem Gebäude. Von der Seite des Raumes, die an die Universität grenzte, erklang ein Alarmschrei, und eine Gruppe Männer erschien hinter den Trümmern. Bei einem der Männer handelte es sich um Aanden persönlich; sein schnurrbärtiges Gesicht war unverwechselbar. Mit einem Wutschrei sprang Aanden in das Zimmer und zielte mit einer Axt, die er hoch erhoben in den Händen hielt, auf einen der Stützbalken.
»Taan, lasst das!«, schrie Raoden.
Seinen richtigen Namen zu hören schockierte Aanden so sehr, dass er mitten in der Bewegung innehielt. Die eine Hälfte seines falschen Schnurrbartes hing schlaff herunter und drohte jeden Moment abzufallen.
»Versucht erst gar nicht, vernünftig mit ihm zu reden!«, warnte Dashe, der seine Männer aus dem Raum zog. »Er ist wahnsinnig.«
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte Raoden und musterte Aandens Augen. »Dieser Mann ist nicht wahnsinnig, sondern einfach nur verwirrt.«
Aanden blinzelte ein paarmal, den Griff der Axt noch fester gepackt. Verzweifelt suchte Raoden nach einer Lösung. Da fiel sein Blick auf die Überreste eines gewaltigen Steintisches in der Nähe der Zimmermitte. Raoden biss die Zähne zusammen, sandte insgeheim ein Stoßgebet zu Domi, kam aus der Hocke empor und durchquerte das Gebäude.
Hinter ihm stieß Karata ein Stöhnen aus, und Galladon fluchte. Das Dach ächzte unheilvoll.
Raoden sah Aanden an, der die Axt immer noch hoch erhoben hielt. Mit den Augen folgte er Raoden, als dieser auf die Mitte des Raumes zusteuerte.
»Ich habe recht, nicht wahr? Ihr seid nicht wahnsinnig. Ich habe gehört, wie Ihr an Eurem Hof wirres Zeug gelallt habt, aber jeder kann wirr lallen. Ein Verrückter kommt nicht auf den Gedanken, Pergament auszukochen, um etwas zu essen zu haben. Und ein Wahnsinniger hat nicht genug Weitblick, um eine Falle zu stellen.«
»Ich bin nicht Taan«, sagte Aanden schließlich. »Ich bin Aanden, der Baron von Elantris!«
»Wie Ihr wünscht«, sagte Raoden. Mit dem, was noch von seinem Ärmel übrig war, wischte er die Oberfläche des eingestürzten Tisches ab. »Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, warum Ihr lieber Aanden als Taan sein solltet. Schließlich ist das hier Elantris!«
»Das weiß ich!«, fuhr Aanden ihn an. Trotz Raodens Worte war dieser Mann alles andere als geistig stabil. Die Axt konnte jeden Moment niedersausen.
»Tut Ihr das?«, fragte Raoden. »Seid Ihr Euch wirklich darüber im Klaren, was es heißt, in Elantris zu leben, der Stadt der Götter?« Er wandte sich ganz dem Tisch zu und putzte weiter, Aanden den Rücken zugekehrt. »Elantris, Stadt der Schönheit, Stadt der Kunst... und Stadt der Bildhauerei.« Raoden trat zurück, sodass die nun saubere Oberfläche des Tisches sichtbar wurde. Sie war mit aufwendigen Meißelarbeiten versehen, genau wie die Wände der Kapelle.
Aanden riss die Augen auf und ließ kraftlos die Axt sinken.
»Diese Stadt ist der Traum eines jeden Steinmetzen, Taan«, sagte Raoden. »Wie viele Künstler habt Ihr draußen darüber klagen hören, dass die Schönheit von Elantris verloren gegangen ist? Diese Gebäude sind erstaunliche Zeugnisse der Bildhauerkunst. Ich möchte zu gern wissen, wer es angesichts solch einer Gelegenheit vorzöge, Aanden der Baron zu sein anstatt Taan der Bildhauer.«
Die Axt fiel klirrend zu Boden. Verblüffung spiegelte sich auf Aandens Gesicht.
»Seht Euch die Wand an, Taan«, sagte Raoden leise.
Der Mann drehte sich um und wischte mit den Fingern über ein Relief, das unter der schmierigen Schmutzschicht verborgen lag. Sein Ärmel rutschte ein Stück hoch, als er sich mit zitternder Hand an dem Dreck zu schaffen machte. »Gütiger Domi«, flüsterte er. »Es ist wunderschön!«
»Denkt doch nur, welch eine Gelegenheit sich Euch bietet, Taan«, meinte Raoden. »Von allen Bildhauern auf der ganzen Welt könnt nur Ihr Euch Elantris ansehen.

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