Elantris
eingebüßt. Offiziell heißt es, die Angriffe gingen auf Piraten zurück, Überbleibsel der Flotte Dreoks des Eisernen. Doch laut meinen Quellen stehen die Versenkungen mit Fjorden in Verbindung.«
»Darum ging es also!«, meinte Sarene.
»Worum?«
»Vor vier Tagen bin ich auf einem Fest gewesen«, erklärte Sarene. »Ein Bediensteter hat eine Nachricht überbracht, die den König zutiefst erschüttert hat.«
»Das müsste zeitlich hinkommen«, erwiderte ihr Vater. »Ich selbst habe es vor zwei Tagen erfahren.«
»Warum sollte der Wyrn unschuldige Handelsschiffe versenken?«, fragte sich Sarene. »Außer ... Idos Domi! Wenn der König sein Einkommen verlieren sollte, läuft er Gefahr, den Thron zu verlieren!«
»Ist dieser ganze Unsinn von wegen sozialer Rang und dessen Abhängigkeit vom Geld etwa wahr?«
»Verrückt, aber wahr«, bestätigte Sarene. »Iadon beraubt eine Familie ihres Titels, wenn sie ihr Einkommen nicht aufrechterhalten kann. Sollte er seine eigene Vermögensquelle einbüßen, würde das seine Herrschaftsbasis zerstören. Hrathen könnte ihn mit jemand anderem ersetzen - einem Mann, der dem Shu-Dereth gegenüber offener wäre ohne sich auch nur die Mühe zu machen, eine Revolution anzuzetteln.«
»Das klingt plausibel. Im Grunde hat Iadon solch eine Situation herausgefordert, indem er seine Herrschaft auf ein derart instabiles Fundament gegründet hat.«
»Wahrscheinlich ist es Telrii«, sagte Sarene. »Deshalb hat er so viel Geld für den Ball ausgegeben. Der Herzog will zeigen, dass es gut um seine Finanzen steht. Es würde mich sehr überraschen, wenn hinter seinen Ausgaben nicht ein Haufen fjordellischen Goldes steckte.«
»Was wirst du unternehmen?«
»Ihn aufhalten«, sagte Sarene. »Auch wenn es wehtut. Ich mag Iadon nämlich überhaupt nicht, Vater.«
»Leider sieht es so aus, als hätte Hrathen unsere Verbündeten für uns ausgewählt.«
Sarene nickte. »Mich hat er auf die Seite der Stadt Elantris und König Iadons verfrachtet. Keine sonderlich beneidenswerte Position.«
»Wir alle tun unser Bestes mit dem Los, das Domi uns zugeteilt hat.«
»Du klingst wie ein Priester.«
»In letzter Zeit hatte ich ja wohl allen Grund, sehr religiös zu werden.«
Sarene dachte einen Moment lang über seine Worte nach, während sie sich mit dem Finger gegen die Wange tippte. Dann antwortete sie: »Eine kluge Wahl, Vater. Wenn Domi uns jemals helfen sollte, dann jetzt. Das Ende Teods würde gleichzeitig auch das Ende des Shu-Korath bedeuten.«
»Vielleicht eine Zeit lang«, sagte ihr Vater. »Die Wahrheit lässt sich niemals besiegen, Sarene. Selbst wenn die Menschen sie gelegentlich vergessen.«
Sarene war im Bett. Die Lichter waren gelöscht. Am anderen Ende des Zimmers schwebte Ashe, dessen Licht so gedämpft war, dass man kaum die Umrisse des Aons Ashe vor dem Hintergrund der Wand ausmachen konnte.
Das Gespräch mit ihrem Vater hatte bis vor einer Stunde gedauert, aber die daraus resultierenden Folgerungen würden Sarene wahrscheinlich noch monatelang quälen. Niemals hatte sie die Möglichkeit einer Kapitulation in Betracht gezogen, doch nun sah diese Lösung beinahe unvermeidlich aus. Diese Aussicht bereitete ihr Sorgen. Es war unwahrscheinlich, dass der Wyrn ihren Vater weiter herrschen lassen würde, selbst wenn er sich bekehren ließ. Außerdem war ihr klar, dass Eventeo freiwillig sein Leben hingeben würde, wenn dies die Rettung seines Volkes bedeuten sollte.
Abgesehen davon machte sie sich Gedanken über ihr eigenes Leben und ihre gemischten Gefühle, was Teod betraf. In dem Königreich befanden sich die Menschen, die sie auf der Welt am meisten liebte - ihr Vater, ihr Bruder und ihre Mutter. Die Wälder um die Hafenstadt Teoin, die gleichzeitig auch die Hauptstadt war, stellten eine weitere liebe Erinnerung dar. Sie konnte sich gut daran erinnern, wie der Schnee die Landschaft in seine weiße Pracht einhüllte. Eines Morgens hatte sie nach dem Erwachen festgestellt, dass alles draußen mit einer wunderschönen Eisschicht bedeckt war. Die Bäume hatten wie Juwelen ausgesehen, die im Licht des Wintertages glitzerten.
Andererseits erinnerte Teod sie auch an quälerische Einsamkeit. Es stand für ihr Ausgeschlossensein von der Gesellschaft und ihre Demütigung durch die Männerwelt. Schon in jungen Jahren hatte Sarene kein Hehl daraus gemacht, dass sie einen scharfen Verstand und eine noch schärfere Zunge besaß. Beides hatte sie von den anderen Frauen unterschieden - zwar war sie bei Weitem
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