Elantris
verlassen und das ihr vertraute Land gegen ein fremdes hatte eintauschen wollen.
»Ich verstehe dich nicht, Ene.« Die Stimme ihres Vaters klang gequält.
Sarene seufzte und schloss die Augen. »Ach, Vater, dir ist es bloß nie aufgefallen. Was dich betraf, bin ich reizend gewesen - deine schöne, intelligente Tochter. Niemand hat es gewagt, dir zu sagen, was man wirklich über mich dachte.«
»Wovon redest du?«, wollte er wissen. Er sprach jetzt mit der Stimme eines Königs.
»Vater«, sagte Sarene. »Ich bin fünfundzwanzig, außerdem bin ich direkt, tückisch und häufig beleidigend. Dir muss doch auch aufgefallen sein, dass bisher noch kein Mann um meine Hand angehalten hat.«
Einen Augenblick lang reagierte ihr Vater nicht. »Das ist mir durchaus schon durch den Kopf gegangen«, gab er schließlich zu.
»Ich war die altjüngferliche Tochter des Königs, eine zänkische Frau, der niemand zu nahe kommen wollte«, sagte Sarene, die versuchte, die Bitterkeit aus ihrer Stimme zu halten, was ihr jedoch nicht gelang. »Hinter meinem Rücken haben die Männer über mich gelacht. Niemand hätte es gewagt, sich mir auf romantische Weise zu nähern, weil weithin bekannt war, dass er nichts als den Spott der anderen ernten würde.«
»Ich habe geglaubt, dass du eben unabhängig bist, dass du deine Zeit mit keinem von ihnen verschwenden wolltest.«
Sarene gab ein trockenes Lachen von sich. »Du liebst mich, Vater; und niemand möchte sich eingestehen, dass seine Tochter unattraktiv ist. In Wirklichkeit ist es aber so, dass kein Mann eine intelligente Ehefrau haben möchte.«
»Das stimmt nicht«, widersprach ihr Vater auf der Stelle. »Deine Mutter ist geradezu genial.«
»Du bist eine Ausnahme, Vater. Und das ist auch genau der Grund, weswegen du es nicht nachvollziehen kannst. Eine starke Frau zu haben ist in dieser Welt nicht gerade von Vorteil; noch nicht einmal in Teod, von dem ich immer behaupte, es sei so viel fortschrittlicher als der Kontinent. Im Grunde ist es aber gar nicht so anders, Vater. Den Frauen werden angeblich mehr Freiheiten gewährt, aber es herrscht immer noch der Glaube, es sei Sache der Männer, diese Freiheiten zu gewähren!
In Teod bin ich eine unverheiratete Tochter. Hier in Arelon bin ich eine verwitwete Ehefrau. Da besteht ein gewaltiger Unterschied. So sehr ich Teod auch liebe, müsste ich dort doch permanent in dem Wissen leben, dass niemand mich haben will. Hier kann ich zumindest versuchen mir einzureden, dass jemand mich haben wollte - selbst wenn es dafür politisch motivierte Gründe gegeben hat.«
»Wir können dir einen anderen Mann suchen.«
»Das glaube ich nicht, Vater«, sagte Sarene mit einem Kopfschütteln. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück. »Da Teorn mittlerweile Kinder hat, würde mein Gatte niemals auf dem Thron landen - was der einzige Grund wäre, weswegen irgendein Mann in Teod mit dem Gedanken spielen würde, mich zu heiraten. Niemand, der sich unter derethischer Herrschaft befindet, würde eine Heirat mit einer Teonin in Erwägung ziehen. Bleibt nur Arelon übrig, wo es mir laut Ehevertrag verboten ist, je wieder zu heiraten. Nein, für mich gibt es niemanden, Vater. Es ist am besten, wenn ich Nutzen aus meiner Situation hier ziehe. Wenigstens kann ich in Arelon auf einem gewissen Maß an Respekt bestehen, ohne mir Sorgen machen zu müssen, wie sich meine Handlungsweise auf meine zukünftigen Heiratschanchen auswirken könnte.«
»Ich verstehe«, sagte ihr Vater. Das Missfallen in seiner Stimme war nicht zu überhören.
»Vater, muss ich dich daran erinnern, dass du dir keine Sorgen um mich machen sollst?«, fragte sie. »Wir haben es mit weitaus größeren Problemen zu tun.«
»Ich kann nicht anders, als mir Sorgen um dich zu machen, Lekystange. Du bist meine einzige Tochter.«
Sarene schüttelte den Kopf. Sie war fest entschlossen, das Thema zu wechseln, bevor sie noch zu weinen anfing. Auf einmal schämte sie sich heftig dafür, das idyllische Bild zerstört zu haben, das ihr Vater sich bisher von ihr gemacht hatte. Fieberhaft suchte sie nach einer Möglichkeit, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken. »Onkel Kiin ist hier in Kae.«
Mit diesen Worten erreichte sie ihr Ziel. Vom anderen Ende der Seonenverbindung erklang scharfes Einatmen. »Erwähne diesen Namen nicht in meiner Gegenwart, Ene.«
»Aber ...«
»Nein.«
Sarene seufzte. »Na gut, dann erzähl mir stattdessen von Fjorden. Was führt der Wyrn deiner Meinung nach im Schilde?«
»Diesmal habe ich
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