Elantris
ebenfalls falsch. Nachdenklich saß Hrathen da und versuchte zu entscheiden, über welche Art von Informationen dieses Geschöpf verfügen mochte, die ihm von Nutzen sein konnten.
»Wie ist es in Elantris?«, fragte Hrathen.
»Es ist... schrecklich, Mylord.« Diren blickte zu Boden. »Da sind die Banden. Wenn man in die falsche Gegend gerät, jagen sie einen oder tun einem weh. Niemand erklärt den Neuankömmlingen die Lage. Wenn man also nicht vorsichtig ist, spaziert man mitten ins Marktviertel ... Das ist gar nicht gut.
Und jetzt gibt es eine neue Bande, sagen ein paar Elantrier, die ich von der Straße her kenne. Eine vierte Bande, die mächtiger als die anderen ist.«
Banden. Das bedeutete zumindest eine simple Form von Gesellschaft. Hrathen runzelte die Stirn. Wenn die Banden so grausam waren, wie Diren andeutete, ließen sie sich den Gläubigen vielleicht als Beispiele für »Svrakiss« vorführen. Doch im Laufe seines Gespräches mit dem entgegenkommenden Diren reifte in Hrathen die Überzeugung heran, dass er seine verdammenden Urteile vielleicht lieber aus der Ferne fällen sollte. Wenn auch nur ein Teil der Elantrier so harmlos wie dieser Mann war, würden die Bewohner Kaes die »dämonischen« Elantrier wahrscheinlich reichlich enttäuschend finden.
Nach etlichen weiteren Fragen kam Hrathen zu dem Schluss, dass Diren nicht über viel mehr nützliche Informationen verfügte. Der Elantrier konnte nicht erklären, wie sich die Shaod anfühlte, denn sie war ihm im Schlaf widerfahren. Er behauptete, »tot« zu sein, was immer das bedeuten sollte, und dass seine Wunden nicht mehr verheilten. Er zeigte Hrathen sogar eine Schnittwunde. Allerdings blutete die Verletzung nicht, und Hrathen hegte den Verdacht, dass die Haut an dieser Stelle lediglich nicht mehr richtig zusammengewachsen war.
Diren wusste nichts vom elantrischen »Zauber«. Er behauptete, gesehen zu haben, wie andere magische Zeichnungen in der Luft machten, aber er selbst wusste nicht, wie das ging. Er wusste jedoch, dass er hungrig war - sehr hungrig. Diesen Gedanken wiederholte er etliche Male, außerdem erwähnte er noch zweimal, dass er Angst vor den Banden hatte.
Als Hrathen das Gefühl hatte, alles Nötige herausgefunden zu haben - dass Elantris ein brutaler Ort war, wenn auch enttäuschend menschlich, was die Methoden dieser Brutalität betraf -, rief Hrathen den Hauptmann der Wache, der Diren hergebracht hatte.
Der Hauptmann der elantrischen Stadtwache trat unterwürfig ein. Er trug dicke Handschuhe und stieß das elantrische Geschöpf mithilfe eines langen Stockes aus dem Sessel. Gierig nahm der Hauptmann einen Beutel voll Münzen von Hrathen entgegen und nickte dann, als Hrathen ihm das Versprechen abnahm, Diren einen Essenskorb zu kaufen. Als der Hauptmann den Gefangenen gewaltsam aus dem Zimmer schaffte, erschien Dilaf an Hrathens Tür. Der Arteth blickte enttäuscht seiner von dannen ziehenden Beute nach.
»Alles fertig?«, fragte Hrathen.
»Ja, mein Hroden«, sagte Dilaf. »Ein paar Leute sind schon zum Gottesdienst eingetroffen.«
»Gut.« Hrathen lehnte sich in seinem Sessel zurück und verschränkte nachdenklich die Finger.
»Bereitet Euch etwas Sorge, mein Hroden?«
Hrathen schüttelte den Kopf. »Ich plane lediglich die Abendpredigt. Meiner Meinung nach ist es an der Zeit, dass wir die nächste Stufe unseres Planes einläuten.«
»Die nächste Stufe, mein Hroden?«
Hrathen nickte. »Ich denke, unsere ablehnende Haltung gegenüber Elantris haben wir erfolgreich kundgetan. Die Meute ist immer schnell dabei, in anderen Teufel zu erkennen, solange man den Leuten die richtigen Beweggründe gibt.«
»Ja, mein Hroden.«
»Vergiss nicht, Arteth«, sagte Hrathen, »dass wir mit unserem Hass ein bestimmtes Ziel verfolgen.«
»Er vereinigt unsere Gläubigen, indem er ihnen einen gemeinsamen Feind bietet.«
»Richtig.« Hrathen lehnte die Arme auf den Schreibtisch. »Doch da gibt es noch ein Ziel. Eines, das ganz genauso wichtig ist. Da wir den Menschen nun eine Zielscheibe für ihren Hass geliefert haben, müssen wir eine Verbindung zwischen Elantris und unseren Rivalen herstellen.«
»Dem Shu-Korath«, sagte Dilaf mit einem finsteren Lächeln.
»Auch das ist richtig. Schließlich sind es die korathischen Priester, die die neuen Elantrier vorbereiten. Die Priester stecken hinter dem Erbarmen, das dieses Land seinen gefallenen Gottheiten erweist. Wenn wir durchblicken lassen, dass die korathische Toleranz die Priester zu Sympathisanten macht,
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