Elantris
gründen. Als Raoden und Galladon tags zuvor auf der Suche nach Neuankömmlingen hergekommen waren, hatte eine Gruppe von Aandens Männern auf sie gewartet. Es war kein freundlicher Empfang gewesen. Glücklicherweise waren sie ohne Knochenbrüche oder verletzte Zehen entkommen, doch diesmal wollte Raoden ein wenig subtiler vorgehen.
»Und wenn sie uns wieder auflauern?«, fragte Galladon.
»Wahrscheinlich tun sie das«, sagte Raoden. »Also sprich gefälligst ein wenig leiser. Komm schon.«
Raoden schlüpfte um die Ecke und betrat eine schmale Gasse. Sein Zeh tat beim Gehen weh, genauso wie seine aufgeschürften Hände und ein Bluterguss, den er sich am Arm zugezogen hatte. Obendrein ließ ihn der Hunger nicht los, eine Art dumpfer Schmerz in seinem Innern.
Galladon seufzte. »Ich habe den Tod nicht dermaßen satt, dass ich mich stattdessen lieber unerträglichen Schmerzen hingeben möchte. Kolo?«
Raoden drehte sich um und schenkte ihm einen nachsichtigen Blick. »Galladon, eines Tages wirst du deinen unerschütterlichen Pessimismus überwinden, und ganz Elantris wird vor Schreck zusammenstürzen.«
»Pessimismus?«, fragte Galladon ungehalten, während Raoden die Gasse entlangkroch. »Pessimismus? Ich? Dulas sind die fröhlichsten, unbeschwertesten Menschen in ganz Opelon! Wir betrachten jeden einzelnen Tag mit ... Sule? Wage es ja nicht, abzuhauen, während ich mich verteidige!«
Raoden ignorierte den hünenhaften Dula. Abgesehen davon versuchte er, seine Schmerzen zu ignorieren, so heftig sie auch waren. Seine neuen Lederschuhe halfen ihm dabei sehr. Trotz Galladons Vorbehalten hatte Mareshe ein Erzeugnis erschaffen, das dem gewaltigen Ego des Kunsthandwerkers in nichts nachstand. Die Schuhe waren robust und hatten eine starke, schützende Sohle, aber das weiche Leder - das von Galladons Bucheinbänden stammte - passte perfekt und rieb nicht.
Vorsichtig spähte Raoden um die Ecke und betrachtete den Platz. Shaors Männer waren nicht zu sehen, aber wahrscheinlich versteckten sie sich ganz in der Nähe. Raoden hob den Kopf, als das Stadttor aufschwang. Der Tag würde einen Neuankömmling bringen. Doch Raoden war schockiert, als die elantrische Stadtwache nicht eine, sondern drei in Weiß gekleidete Gestalten durch das Tor schob.
»Drei?«, fragte Raoden.
»Die Shaod ist unberechenbar, Sule«, sagte Galladon, der hinter ihm angekrochen kam.
»Das ändert alles«, meinte Raoden verärgert.
»Gut. Gehen wir. Die anderen können die heutigen Opfergaben haben. Kolo?«
»Was? Und sich solch eine großartige Gelegenheit entgehen lassen? Ich bin enttäuscht von dir.«
Der Dula grummelte etwas vor sich hin, was Raoden nicht verstand, woraufhin der Prinz nach hinten griff und dem großen Mann einen aufmunternden Klaps auf die Schulter versetzte. »Mach dir keine Sorgen, ich habe einen Plan.«
»Ach ja?«
»Wir müssen schnell zuschlagen. Jeden Moment kann einer der drei einen Schritt tun, und dann ist es aus mit unserer Gelegenheit.«
»Doloken«, murmelte Galladon. »Was willst du tun?«
»Nichts. Du hingegen wirst gemütlich auf den Platz hinausspazieren.«
»Was ?«, fragte Galladon. »Sule, du bist schon wieder kayana geworden. Wenn ich mich dort hinausbegebe, werden die Banden mich sehen!«
»Genau«, sagte Raoden mit einem Lächeln. »Achte also darauf, dass du sehr schnell läufst, mein Freund. Wir wollen doch nicht, dass sie dich erwischen.«
»Dir ist es ernst«, meinte Galladon mit wachsender Besorgnis.
»Unglücklicherweise ja. Jetzt beweg dich aber. Führ sie nach links, und ich kümmere mich um den Rest. Wir treffen uns, wo wir Mareshe zurückgelassen haben.«
Galladon grunzte etwas von wegen »nicht alles Trockenfleisch auf der ganzen Welt wert«, doch er ließ sich von Raoden auf den Hof hinausschubsen. Einen Augenblick später erklang überraschtes Knurren aus der Richtung des Gebäudes, bei dem sich Shaors Männer normalerweise versteckt hielten. Shaors Wilde stürzten hervor und vergaßen die drei Neuankömmlinge völlig angesichts des Mannes, der ihnen erst vor ein paar Tagen geschadet hatte.
Nach einem letzten vernichtenden Blick in Raodens Richtung lief Galladon eilends davon. Er bog in eine beliebige Straße ein und lockte Shaors Männer auf diese Weise fort. Raoden gab ihm einen Moment, dann rannte er in die Mitte des Platzes. Er gab sich Mühe, betont heftig zu atmen, als sei er völlig erschöpft.
»In welche Richtung ist er gelaufen?«, wollte er mit scharfer Stimme von den drei verwirrten
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