Elben Drachen Schatten
gegen ihre eigenen Leute gerichtet waren, so erstaunlich dies für elbische Ohren auch klingen mag.«
»Man wollte Euch doch nicht weismachen, auf Tagora herrsche ein ständiger Bürgerkrieg?«, fragte Keandir erstaunt.
Ithrondyr zuckte mit den Schultern. »Unser Aufenthalt in der Stadt Toban im Norden Tagoras dauerte nicht lang genug, um das letztlich beurteilen zu können. Aber man sagte uns, dass die Städte Tagoras lange in erbitterte Kriege mit wechselnden Koalitionen verwickelt gewesen wären und sich erst vor kurzem zu einem geeinten Reich zusammengeschlossen hätten.« Ithrondyr seufzte. Sein Blick zeigte, wie sehr ihn die Erinnerung an diese Insel noch immer gefangen nahm. »Ihr hättet diese Pracht sehen sollen. Ihr solltet selbst dorthin reisen, um Euch ein Bild zu machen.«
»Das werde ich gewiss«, versprach Keandir. »Aber bis dahin wird es noch eine Weile dauern. Zuerst muss der Aufbau des Reichs weiter vorangetrieben werden.«
So sprach Keandir, in Wirklichkeit aber war er gegenüber den Tagoräern misstrauisch. Nicht nur die Legenden und alten Schriften wussten von den Menschen zu berichten und stellen sie nicht im besten Licht da, auch Prinz Sandrilas hatte dereinst mit ihnen zu tun, und auch wenn der Einäugige kaum etwas von seinen Begegnungen mit den Menschen erzählte, er schien nicht besonders von ihnen eingenommen gewesen zu sein.
Ithrondyr nickte zu den letzten Worten seines Königs. Es mochte gut sein, dass sich kein Tagoräer mehr an die Seefahrer aus dem fernen Elbiana erinnerte, wenn das nächste Mal ein Elb seinen Fuß auf diese Insel setzte, weil dann inzwischen wahrscheinlich schon mehrere Menschengenerationen vergangen waren. »Eines will ich nicht unerwähnt lassen, mein König«, ergriff er noch einmal das Wort. »Im Tagoräer-Hafen von Danabar – dem letzten Punkt unserer Reise – wusste man von den Schiffen Fürst Bolandors zu berichten. Sie haben auf der Insel Tagora angelegt, dort Vorräte an Bord genommen und sind dann weitergesegelt.«
»Weiß man, in welche Richtung?«, fragte Keandir, wobei sich seine Gesichtszüge verkanteten.
»Sie sollen in ein Gewässer, das die Tagoräer als das Pereanische Meer bezeichnen, in Richtung Westen gesegelt sein. Aber wie zuverlässig diese Angaben sind, wage ich nicht zu beurteilen.«
Keandir dachte: Mögen die Namenlosen Götter mit Fürst Bolandor und den Seinen sein, wenn sie schon nicht mit uns sind!
Noch vor dem nächsten Winter war es der Heilerin Nathranwen zusammen mit einigen talentierten Kollegen aus der elbischen Heilerzunft gelungen, aus den Blütenblättern der Sinnlosen einen Extrakt zu gewinnen, der sich wiederum weiterverarbeiten ließ zu einem Mittel, das die Symptome des Lebensüberdrusses so stark abdämpfte, dass sie kaum noch bemerkbar waren. Ein Mittel, das auch jenen neue Hoffnung bot, die bis dahin als aussichtslose Fälle gegolten hatten. Es konnte zwar den Lebensüberdruss nicht gänzlich heilen, aber jemand, der das Mittel aus dem Extrakt der Sinnlosen und ein paar weitere Zutaten regelmäßig und in richtiger Dosierung zu sich nahm, würde zumindest nicht an dieser Krankheit zu Grunde gehen. Vorausgesetzt, der Betreffende kam nicht eines Tages auf die irrige Idee, das Mittel abzusetzen, was zu einer umso heftigeren Rückkehr der Symptome führte, während eine Überdosierung den Verstand kosten konnte.
Weit weniger erfolgreich hingegen war Thamandor bei der Verwendung des Extrakts der Sinnlosen. Entgegen der alten Schriften der Heiler ließ sich mal ein brauchbarer Zusatz für die Gifte gewinnen, die der Waffenmeister ohnehin verwendete. Und was die Zauberstäbe des Augenlosen Sehers betraf, so fand er einfach keinen Zugang zu jener Magie, die diese Artefakte zweifellos noch immer innewohnte. Zumindest wurde ihm das Vorhandensein von Magie durch mehrere Schamanen unabhängig voneinander bestätigt, deren Sinne in dieser Hinsicht besonders geschult waren.
Der Oberste Schamane Brass Shelian wollte den Waffenmeister darauf vorbereiten, dass seine Bemühungen möglicherweise von vornherein zum Scheitern verurteilt waren, indem er zu Thamandor sagte: »Es kann durchaus sein, dass die hier verwendete Magie so fremdartig ist, dass Ihr keinen Zugang zu ihr finden werdet.«
»Ich bin nicht als jemand bekannt, der schnell aufgibt«, entgegnete Thamandor. »Bei so mancher Erfindung, die ich gemacht habe, musste ich auch lange Irrwege gehen, bevor ich schließlich doch zum Ziel gelangte.«
»Man sollte
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