Elben Drachen Schatten
viele Qualen mussten diese Männer schon erlitten haben!
Von ihrem unerbittlichen Führer erbarmungslos von einer Schlacht in die andere geführt und furchtbar erniedrigt.
Und das Schlimmste: Man hatte sie ihrer Seele beraubt.
Sie waren nur noch Körper. Marionettenhafte Gestalten, an unsichtbaren Fäden gezogen und dazu bestimmt, erbarmungslos zu töten.
Ein riesenhafter Streitwagen fuhr heran.
Das monströse Gefährt wurde von sechs zweiköpfigen Löwen gezogen. Der Krieger, der diesen Wagen lenkte, war unverkennbar Ahyr - leicht zu erkennen an seinen drei dämonisch leuchtenden Augen.
Der zornige Gott zügelte seine Löwen und der Wagen kam vorübergehend zum Stillstand.
Stolz und hoch aufgerichtet stand Ahyr da, hörte sich die Gebete seiner Untertanen an. Dabei verzog sich sein göttliches Gesicht zu einem spöttischen Grinsen.
Mit angstgeweiteten Augen blickten die Sterblichen zu ihm auf.
Ihre Furcht schien Ahyr zu amüsieren.
Er sonnte sich im Schrecken der Sterblichen und lachte dröhnend. Ahyr ließ den Blick schweifen. Seine Augen flackerten unruhig. Dann endlich fuhr der Wagen weiter voran - auf jenen Tempel zu, der dem zornigen Gott gewidmet war.
„Hast du ihn gesehen?“, wisperte in Merguns Rücken plötzlich eine vertraute Stimme.
Der Wanderer wirbelte herum. Er sah in Luuns eisgraue, wissende Augen. Mergun erschrak. Luun musterte ihn einige Momente lang schweigend. Sein Gesichtsausdruck war ernst.
„Wie kommst du hier her, Luun?“, erkundigte sich Mergun dann erstaunt.
„Das ist doch nicht wichtig, mein Freund.“
„Oh, doch! Das ist sogar sehr wichtig!“
„Sag mir, ob du ihn gesehen hast Mergun. Ihn, den Gott des Zorns...“
Mergun schluckte.
Ein flaues Gefühl machte sich in seiner Magengegend bemerkbar. Er hatte das Gefühl, dass sein Gegenüber irgendetwas im Schilde führte.
Er will mich zu etwas drängen, das ich nicht möchte!, erkannte der Wanderer instinktiv.
„Ja, ich habe ihn gesehen“, gab Mergun unwillig zu. Wie hätte er es bestreiten können?
Luun nickte zufrieden.
„Was denkst du über ihn?“
„Über Ahyr? Was soll ich schon über ihn denken? Er ist ein Gott und das Schicksal der Sterblichen ist ihm herzlich gleichgültig. Die Freude an der puren Grausamkeit sah in seinen Augen aufleuchten...“ Mergun atmete tief durch, und blickte Luun fest an. „War es das, was du hören wolltest, grauer Mann? Wenn ja, dann ist unsere Unterhaltung hiermit zu Ende. Verschwinde und lass mich in Ruhe!“
„Alles, was ich von dir wollte, war eine ehrliche Antwort, Mergun. Ehrlich gegenüber mir - und dir selbst!“
„Die hast du bekommen!“
Luun nickte.
Um seine Lippen spielte ein hintergründiges Lächeln.
Er weiß genau, was er tut, dachte Mergun. Jeder Schritt seines Handelns schien exakt vorausgeplant zu sein - und der barbarische Wanderer hatte das Gefühl, wie eine Marionette an unsichtbaren Fäden zu hängen. Ein unangenehmer Gedanke.
Wer ist der Spieler?, dachte Mergun.
Luun?
„Jeder bestimmt sein Schicksal selbst“, erklärte indessen der graue Mann und es klang beinahe wie eine Antwort auf Merguns Gedanken. Der Wanderer erschrak.
Er verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln.
„Ich bin mir da nicht sicher.“
„Alles andere sind fadenscheinige Entschuldigungen.“
„Entschuldigungen? Wofür?“ Mergun schüttelte den Kopf.
Sein Blick traf sich mit jenem von Luuns eisgrauen Augen. Der Wanderer schauderte unwillkürlich.
„Weißt du, was gleich im Tempel des Ahyr geschehen wird?“, fragte der graue Mann dann.
„Nein.“
Mergun schüttelte den Kopf.
„Es werden Menschenopfer dargebracht werden“, erklärte Luun. „So ist es jedes Mal, wenn Ahyr nach Balan kommt!“
Mergun hob die Augenbrauen, dann zuckte er die Schultern.
„Kann man von einer Gottheit wie Ahyr etwas anderes erwarten?“, knurrte er zwischen den Zähnen hindurch.
Luun fuhr ungerührt fort.
„Insgesamt werden dreiundzwanzig Menschen umgebracht. Zehn Männer, zehn Frauen und drei Kinder. Fünf der Opfer werden verbrannt, fünf sterben durch die Axt, fünf durch den Dolch, sechs Opfern wird man bei lebendigem Leib die Haut abziehen und zwei wird man kreuzigen, nachdem man ihnen zuvor die Augen aus den Höhlen herausgedrückt hat...“
Das Grauen in Mergun wuchs, aber er versuchte, die Empfindungen zu betäuben.
Sein Blick traf sich abermals mit dem des grauen Mannes.
Weisheit lag in diesen Augen.
Aber da war auch noch etwas anderes; etwas, das der Wanderer
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