Elben Drachen Schatten
mehr mit den Zwillingen habe. Aber was er tat, tat Magolas aus Liebe zu Larana.«
»Sie ist seine Unglücksbringerin; das weiß ich seit langem.« Ruwen drehte mit einer für sie ungewohnt heftigen und wenig fließenden Bewegung das Gesicht in Richtung der Heilerin. Auch darin erkannte Nathranwen ein Zeichen der inneren Unausgeglichenheit der Königin – wie auch in der Tatsache, dass Ruwen befohlen hatte, das Feuer im Kamin zu entfachen. Elben waren sehr temperaturunempfindlich, und insbesondere Kälte machte ihnen wenig aus. Auch wenn inzwischen die ersten Herbststürme von Norden her über das zwischenländische Meer peitschten und die Schneegrenze in den Bergen Hoch-Elbianas deutlich gefallen war, so war es doch noch weit davon entfernt, dass ein Elb normalerweise ein Kaminfeuer hätte entzünden lassen. Doch es war Ruwens Seele, die angesichts ihrer furchtbaren Ahnungen gewärmt werden wollte, nicht ihr Körper.
»Meine Enkel tun mir leid«, sagte Ruwen. »Obgleich sie von ihrer Herkunft her nur Halbelben sind, spüre ich ihr magisches Talent jedes Mal, wenn es mir gelingt, eine flüchtige geistige Verbindung zu ihnen herzustellen. Ich fürchte, sie werden zu Dienern des Bösen - wie ihre Eltern.«
»Magolas und Larana stehen nicht freiwillig auf der Seite Xarors«, erinnerte Nathranwen nachdrücklich. »Sie haben keine Wahl.«
»Es hätte sicher eine andere Möglichkeit gegeben.«
»Um Laranas Leben zu verlängern?« Nathranwen schüttelte den Kopf. »Ich versichere Euch, meine Königin, es ist alles versucht worden. Aber nichts von den Bemühungen, an denen ich ja auch einen gewissen Anteil hatte, war von Erfolg gekrönt. Ihr hättet die Verzweiflung im Gesicht Eures Sohnes sehen sollen, als wir Heiler ihm schließlich jede Hoffnung nehmen mussten, das Leben seiner geliebten Gemahlin zu verlängern. Euer Sohn verfügt ja selbst über erhebliches magisches Talent, und auch er hat wirklich alles in seiner Macht Stehende versucht. Ich weiß nicht, wie ich an Magolas Stelle gehandelt hätte. Er musste eine schreckliche Wahl treffen …«
Ruwen nickte. Dann fragte sie mit belegter Stimme: »Urteile ich zu hart?«
Nathranwen zögerte mit der Antwort. »Es waren so große Hoffnungen, die wir alle seinerzeit mit der Geburt von Andir und Magolas verbanden«, sagte sie schließlich. »Und ich gebe zu, dass sich manche dieser Hoffnungen in ihr Gegenteil verkehrt haben. Das bewirkt harte Urteile.«
»Ja, da habt Ihr zweifellos recht«, gab Ruwen zu. »Nicht nur im Hinblick auf Magolas …« Ihre Gedanken wanderten in der Zeit zurück. Welch ein ungeahntes Glücksgefühl hatte sie durchströmt, als Nathranwen ihr verkündet hatte, sie selbst – Ruwen – würde Zwillinge erwarten. Der ganzen Elbenheit war dies als ein gutes Omen erschienen. Ein Zeichen, das König Keandirs Volk förmlich dazu aufgefordert hatte, im Zwischenland zu bleiben und dort ein Elbenreich zu gründen, das größer und schöner hatte sein sollen als alle Elbenreiche, die es in der Alten Heimat Athranor je gegeben hatte.
»Ich verstehe nicht, dass Andir das Schicksal der Elbenheit so gleichgültig sein kann«, äußerte Ruwen nach einer längeren Pause. »Ich habe immer wieder versucht, geistige Verbindung mit ihm aufzunehmen. Aber er scheint schon zu entrückt, um das noch wahrnehmen zu können; anders kann ich mir nicht erklären, dass er mir nicht geantwortet hat und seine Besuche in Elbenhaven immer seltener geworden sind. Dabei sind seine magische Fähigkeiten einzigartig in der gesamten Elbenheit.«
»Auch Andirs Suche nach seiner Selbst und der Wahrheit wird irgendwann beendet sein«, entgegnete Nathranwen. »Ihr solltet nicht vergessen, wie viel er dem Königreich Elbiana gegeben hat. Die Brücke über den Nur bei Minasar ist sein Werk, ebenso wie die Aratanische Mauer, die uns seit einem Zeitalter vor den Rhagar schützt. Kein anderer Magier hat so viel geschaffen wie er. Und in der Schlacht gegen den Eisenfürsten war er es, der die Magier und Schamanen der Elbenheit anführte, um aus dem Nichts heraus Gesteinsbrocken erscheinen und sie auf die Reihen des Feindes stürzen zu lassen.«
»Aber jetzt schlägt erneut eine schwere Stunde für die Elbenheit«, sagte Ruwen. »Und er ist nicht da! Statt dem Reich, dem auch er alles verdankt, zu helfen, zieht er sich zurück, um sich der Wahrheitsfindung, der Selbstfindung, der Reinigung seines Geistes und dergleichen mehr zu widmen.« Ruwen schüttelte den Kopf. »Manchmal will es mir
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