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Elben Drachen Schatten

Elben Drachen Schatten

Titel: Elben Drachen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Entfernung von mehreren Meilen zu bestaunen gewesen. So perfekt waren sie in die Landschaft eingepasst, dass man die auf ihnen dargestellten Fantasmen für real hatte halten können; selbst die scharfen Elbenaugen waren vor dieser Illusion nicht gefeit gewesen. Während Mindorils Gemälde einerseits die positive Eigenschaft gehabt hatten, die ziemlich aggressiven athranorischen Trolle auf Distanz zu halten, hatten sie auf manche besonders empfindsame Elben eine geradezu verheerende Wirkung ausgeübt: Immer wieder hatten sich Betrachter in ihrem Anblick verloren, und es hatte der Kunst eines Heilers oder Schamanen bedurfte, den Betreffenden wieder aus dem Einfluss des jeweiligen Bildes zu befreien.
    Den Überlieferungen nach hatte dies zu einer zweitausend Jahre dauernden Spaltung des athranorischen Elbenreichs und zu einem erbitterten Krieg geführt, der zwischen langen Unterbrechungen immer wieder aufgeflammt war: Während im Reich der Ostelben die Malerei ihrer angeblichen Gefährlichkeit wegen vollkommen verboten worden war, blieb sie im Reich der Westelben eine angesehene Kunstform, und man vertrat dort die Ansicht, dass es der geistigen Disziplin und spirituellen Stärke des Einzelnen oblag, sich nicht in der Betrachtung solcher Gemälde zu verlieren, mochten sie noch so eindrucksvoll sein.
    Mindoril der Wahnsinnige – dieser Name wurde jenem Künstler von der in dieser Zeit dominierenden Überlieferung Ostelbenreichs gegeben, während man ihn im Westelbenreich wechselweise Mindoril den Genialen oder Mindoril den Sichtbarmachenden nannte. Er hatte seinem Leben selbst ein Ende gemacht, da er es nicht länger ertragen hatte, der Grund für die Spaltung der athranorischen Elbenheit zu sein.
    Bis zu einem Friedenschluss der beiden Reiche hatte es ein weiteres Jahrtausend gedauert, und bis es dann zu einer Aufhebung des Bilderverbots im Osten und einer Wiedervereinigung der Elbenheit in einem einheitlichen Reich kam, folgten noch anderthalb Jahrtausende mehr oder minder intensiver Verhandlungen – eine Zeit der Zersplitterung, denn es spalteten sich zeitweilig weitere Elbenreiche ab, in denen abweichende Auffassungen zum Bilderstreit vertreten wurden. So gab es besonders sektiererisch eingestellte Teilreiche, in denen selbst das absolute Bilderverbot des Ostelbenreichs als zu liberal angesehen wurde und man folgerichtig auch Beschreibungen von Bildern als gefährlich einstufte.
    Diese Beschreibungen hatten im Ostelbenreich schon ziemlich bald nach dem Verbot der Malerei kursiert. Abschriften jener Manuskripte waren zu Höchstpreisen gehandelt worden, und der Legende nach war ein Magier namens Asirindis der Trickreiche zu einem gewaltigen Vermögen gekommen, indem er einen Zauber zur Kopie dieser Schriften erfand, der es ihm erlaubte, in kürzester Zeit derart viele Exemplare dieser Beschreibungen zu produzieren, dass sie bald im gesamten Ostelbenreich stärkere Verbreitung fanden als die Propagandaschriften derjenigen, die vor den Gefahren warnten, die angeblich von den Bildern ausgingen.
    Einige dieser Beschreibungen von der gigantomanischen und höchst eindrücklichen Kunst von Mindoril dem Wahnsinnigen und einer Schar weniger begabter Künstler hatten in Büchern und auf Schriftrollen Jahrtausende später die große Seereise der Elben durch das zeitlose Nebelmeer mitgemacht und auf diese Weise die Küste des Zwischenlandes erreicht, wo sie Bestandteil der Bibliotheken von Elbenhaven geworden waren.
    Andir hatte diese Beschreibungen gelesen, und obgleich sie nicht ein Ersatz für den tatsächlichen Anblick eines der Kunstwerke Mindorils sein konnten, hatte er den Schauder durchaus nachempfinden können, den die Elben in der Alten Zeit beim Betrachten der gewaltigen Felsgemälde gespürt haben mussten. Wahrscheinlich waren diese riesigen Kunstwerke längst dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen, doch er fragte sich, was diese uralten Beschreibungen wohl in ihm selbst angesprochen hatten, dass er sich so intensiv mit ihnen beschäftigt hatte und sich ihm die Erinnerung daran ausgerechnet in diesem Moment höchster Bedrohung aufdrängte. Er hatte die Beschreibungen der Bilder Mindorils des Wahnsinnigen seinerzeit so genau studiert, dass er bisweilen schon geglaubt hatte, jener Gemälde tastsächlich ansichtig geworden zu sein.
    Es ist der Schauder, der beides verbindet. Spürst du es nicht? Die Felsgemälde des Mindoril sprechen denselben wunden Punkt in deiner Elbenseele an wie die Ausgeburten der Finsternis, von

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