Elben Drachen Schatten
magische Steine in den Schlund warf. Es gab nur noch wenige dieser Steine auf der Insel, und Oou wusste nicht, wie sein Volk in Zukunft seine Waffen erneuern sollte, wenn es das Magische Feuer dieser Steine nicht mehr benutzen konnte. Es hatte in den letzten Jahren ohnehin nur noch so wenige Steine auf der Insel gegeben, dass das entsprechen Ritual kaum noch stattfand. Der Schreckensverbreiter schadete mit der Vernichtung der Steine seinen Feinden, den Eindringlingen. Aber schadete er damit nicht auch zugleich den Ouroungour?
Nur ganz kurz blitzte dieser Gedanke in Oou auf, und für einen Zeitraum, der nicht länger als einen Liedschlag währte, erschrak er über die Konsequenzen, die daraus erwuchsen. Aber dann dachte er, dass der Schreckensverbreiter dies sicherlich alles bedacht hatte, als er den Ouroungour die Weisung gab, sämtliche Steine des Magischen Feuers einzusammeln und in diesen Schlund zu werfen, um zu verhindern, dass die Eindringlinge in ihren Besitz kamen. Nein, es konnte dem Schreckensverbreiter nicht gleichgültig sein, dass die Waffen der Ouroungour ohne das Feuer nach und nach unbrauchbar wurden. Sonst wären sie in Zukunft entweder darauf angewiesen, allein mit den krallenbewehrten Pranken und den Zähnen zu jagen oder sich von Wurzeln und Blättern zu ernähren. Denn dass allein der Verzehr jener Artgenossen, die von allein starben, genug Nahrung in die Bäuche der Ouroungour bringen würde, konnte sich Oou nicht vorstellen, selbst wenn man noch die Knochen der Toten abnagte.
Inzwischen spürte Oou die Blicke der anderen auf sich gerichtet. Furchtsame Blicke waren es. Die Augen der anderen Ouroungour waren weit aufgerissen, und Unruhe kam unter ihnen auf. Oou bemerkte, dass sein Speer und sein Dreizack plötzlich unverhältnismäßig klein geworden waren, aber dann stellte er fest, dass es ganz anders war: Er war gewachsen! Und auf einmal bildeten sich zusätzliche Gliedmaßen aus: Schlangenartige Arme, die an die Auswüchse der Schattenkreaturen erinnerten.
Oou machte einen Schritt nach vorn, und das löste unter den anderen Äfflingen eine panische Reaktion aus: Sie stoben davon, kreischend stiegen sie in die Lüfte, und einer der letzten Ouroungour, die noch ein paar Steine des Magischen Feuers irgendwo zusammengeklaubt und in ein Blätterbündel eingerollt hatten, ließ dieses fallen; es kam neben dem Schlunde auf, rollte ein Stück dahin und öffnete sich.
Die Ouroungour flatterten über den Steindornen wild durcheinander. Sie waren von Panik erfüllt, denn Oou war inzwischen auf die dreifache Größe eines gewöhnlichen Äfflings angewachsen, hatte zahlreiche Schlangenarme ausgebildet und ein Maul bekommen, dass auch im Verhältnis zum Restkörper sehr viel größer war als zuvor: Mit einem einzigen Schnappen hätte er einen Ouroungour verschlingen können.
» Ihr habt viele Eindringlinge getötet, aber nicht den einen, der sie anführt«, sagte die Stimme in seinem Kopf . »Und das könnt ihr auch nicht. Aber Oou kann es!«
Sein Dreizack und sein Speer erschienen Oou inzwischen viel zu klein, um damit kämpfen zu können.
» Du brauchst keine Bewaffnung!« , versprach die Stimme. » Du bist selbst eine Waffe – in meinen Händen!«
Oou machte einen Schritt nach vorn, auf das geöffnete Bündel mit den Steinen des Magischen Feuers zu.
» Nimm sie!«, forderte ihn die Stimme auf. » Nimm sie und schling sie hinunter!«
Alles in Oou hätte sich normalerweise dagegen gesträubt, das zu tun. Aber dieser gedankliche Widerstand hielt lediglich einen Augenaufschlag lang, dann waren alle Bedenken wie weggeblasen. Das Vertrauen zum Schreckensverbreiter war absolut. Also nahm er die Steine – zumindest die größeren, denn die ganz kleinen konnte er mit seinen riesigen Pranken schon gar nicht mehr greifen – und schlang sie hinunter. Es fühlte sich kalt an. Wie Eisklumpen rutschten sie ihm die Speiseröhre hinunter, doch dieser Vergleich kam ihm nicht. Und dann durchfuhr ihn ein kurzer, aber heftiger Schmerz, der allerdings sofort wieder vorbei war.
Oou stieß einen Schrei aus – und dabei schoss eine grellweiße Flamme aus seinem ins Riesenhafte gewachsenen und grotesk nach vorn gewölbten Maul.
Der Feuerstrahl erfasste zwei oder drei Ouroungour, die in der Luft schwebten, und ließ sie als schwarze Asche vom Himmel regnen. Daraufhin stob der ganze Schwarm endgültig davon.
» Komm, Oou!« , befahl die Stimme. » Bevor du deinem Gegner entgegentreten kannst, wirst du ein Bad in
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