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Elbenbiss /

Elbenbiss /

Titel: Elbenbiss / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonja Züllig
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Klinik«, plapperte ich hektisch. »Bist du in Ordnung, Wladimir?« Ich hob den Kopf.
    Die beiden standen unangebracht entspannt neben dem Wagen und schauten mich stirnrunzelnd an. Entsetzt starrte ich Wolfs Körper an. Hatte ich vorher wirklich geglaubt, er habe sich Verbrennungen zugezogen? Das musste am seltsamen Licht gelegen haben. Mannomann! Wenn ich da noch länger hinstarrte, würde ich mein Leben lang an einem mittelprächtigen Minderwertigkeitskomplex zu leiden haben. Ich zwang mich, sein Gesicht anzusehen. Ein Bluterguss auf dem rechten Wangenknochen war alles. Wie war das möglich? Ungläubig huschte mein Blick weiter zu seiner Schulter. Eine breite, frische Narbe zog sich von dort quer über seine Brust. Ohne es richtig wahrzunehmen, machte ich zwei Schritte auf ihn zu und streckte meine Finger nach dem Wundmal aus, aber er schlug meine Hand weg.
    »Das lässt du mal schön bleiben«, fauchte er mich drohend an.
    Das brachte mich wieder einigermaßen zu mir. Es musste am Licht gelegen haben, dass er vorher so schlimm ausgesehen hatte, versuchte ich aufs Neue, mich zu beruhigen. Die leise Stimme, die irgendwo in meinem Hirn penetrant wiederholte:
Er ist tatsächlich ein Werwolf, er ist tatsächlich ein Werwolf
, wies ich entschieden in entlegenere Regionen meines Bewusstseins.
    »Etwas zum Anziehen kannst du aber bestimmt brauchen«, murmelte ich und warf ihm eines meiner T-Shirts und eine Jogginghose zu. Das musste reichen. Ersatzschuhe hatte ich nicht dabei, und meine Unterwäsche teilte ich bestimmt nicht mit dem.

[home]
Kapitel 6
    I ch hatte nicht mitbekommen, was Elanor mit Rose gemacht hatte, aber kurz nachdem sich Wolf mein zu enges T-Shirt übergezogen und dabei wenig zimperlich beide Ärmel zerrissen hatte, weil seine blödsinnigen Bizeps sonst keinen Platz darin gefunden hätten, kam sie zu sich. Sie sprach nicht, sondern sah ihre Schützlinge nur lächelnd an.
    Rose schien etwas älter als Elanor zu sein, vielleicht Mitte dreißig. Ihre großen, dunklen Augen leuchteten samten, und um ihren Hals hing eine schmale, goldene Kette, die in ihrem nicht zu verachtenden Dekolleté verschwand. Obwohl ihr Gesicht nicht von der gleichen überirdischen Schönheit wie Elanors war, hätte sie locker jede Miss Irgendwas in Grund und Boden gelächelt.
    Elanor ließ mir keine Zeit, mich Rose vorzustellen, geschweige denn, sie näher kennenzulernen. Sie drängte zur Heimfahrt, da der größte Teil der Nacht bereits um sei.
    Die Rückfahrt verlief seltsam schnell. Schon als Kind waren mir häufig die Rückwege kürzer vorgekommen als die Anfahrten. Aber diesmal war es beinahe unheimlich. Unheimlich anziehend waren Roses dunkle Augen, die mich die ganze Zeit im Rückspiegel fixierten. Oder war es umgekehrt? Starrte ich sie vielleicht dauernd an? Nein, das war nicht möglich. Ich musste auf die Straße achten.
    Elanor lotste mich direkt zum Kurslokal.
    Rose schloss, von Wladimir fürsorglich gestützt, die Tür auf. Sie machte auf mich jedoch nicht den Eindruck, als ob sie seiner Hilfe bedurfte, sondern schien bereits vollständig wiederhergestellt zu sein. Leichtfüßig betrat sie den Raum, in welchem neben zwei voll ausgestatteten Küchenzeilen auch ein großer ovaler Tisch mit acht Stühlen sowie eine bequem aussehende Polstergruppe standen. Dorthin platzierte Elanor kurzerhand Manwe. Dann geschah ein Wunder. Wolf trug Varda auf seiner riesigen Pranke herein. Er hatte den Arm weit ausgestreckt, und sein konzentrierter Gesichtsausdruck erinnerte mich an Nicolas Cage in dem Thriller »The Rock«, als er mit dem in grünen Kugeln aufbewahrten Nervengift hantierte. Aber er schaffte es, plazierte Varda neben ihrem Bruder und ging sich sofort die Hände waschen.
    Wie auf ein geheimes Kommando gruppierten sich Elanor, Wolf und Wladimir gleich darauf um einen der freistehenden Glaskeramikherde und warteten still, beinahe ehrfürchtig auf Rose, die in einem der Schränke hantierte.
    Für mich wurde es Zeit, zu gehen. Mission completed. Ich malte mir bereits aus, wie ich dem Professor meine Meinung zu diesem unglaublichen Theater sagen würde, und unterdrückte ein Gähnen. »Okay, dann verabschiede ich mich mal. Hat mich gefreut, euch alle kennenzulernen. Macht’s gut. Ich wünsche euch einen erfolgreichen Therapieabschluss.« Ich hob die Hand, wandte mich ab und wollte gehen.
    »Bleib bitte noch kurz, Michael«, sagte eine reichlich dunkle Stimme, die mir umgehend die Nackenhaare zu Berge stehen ließ. »Ich konnte

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