Elbenbiss /
Heulen die ohnehin unheimliche Geräuschkulisse. Nachdem ich mich von meinem Schreck erholt hatte, hätte ich beinahe laut gelacht. Das schien ja alles wie am Schnürchen zu laufen.
»Vielleicht doch, Wladimir«, widersprach Elanor prompt.
»Kann ich auch etwas tun?«, wagte ich einzuwerfen. Den Showdown wollte ich unter keinen Umständen verpassen.
Die beiden starrten mich an, als ob sie mich zum ersten Mal in ihrem Leben sähen. Elanor öffnete die hintere Wagentür und zeigte auf die eng aneinandergekuschelten, schlafenden Kätzchen. »Pass auf Manwe und Varda auf, und warte hier auf uns«, befahl sie in unmissverständlichem Ton.
»Könntest du bitte auch auf meine Taschenlampe aufpassen, Michael? Ich brauche sie nicht. Der Balrog ist hell genug.« Wladimir lächelte unsicher, fast entschuldigend.
Da drehten beide ihre Köpfe simultan Richtung Wald und horchten. Ich stierte ebenfalls hin, sah aber nichts. Die unheimlichen Geräusche und der penetrante Gestank hatten unterdessen weiter zugenommen.
Elanor nickte Wladimir zu, und ich hätte schwören können, dass für Sekunden ein triumphierendes und zugleich erleichtertes Lächeln über ihr schönes Gesicht huschte.
Dann waren die beiden verschwunden, und ich saß allein mit Manwe und Varda in der Dunkelheit des Wagens. Nach kurzer Zeit wurde der Geräuschpegel massiv höhergeschraubt. Es klang, als ob zwei Rudel Säbelzahntiger aufeinander losgingen. Gebrüll, Geknurre und dazwischen immer wieder markerschütternde Schreie, von denen ich nicht sicher war, ob sie tierisch oder menschlich waren. Ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach.
Okay, ich gebe es zu. Ich habe Wladimirs Taschenlampe angeschaltet. So ein bisschen Licht tat in dieser stillstehenden Geisterbahn gut. Nur eine winzige Sekunde lang dachte ich darüber nach, meine schützende Höhle zu verlassen und näher ans offensichtlich wilde Geschehen heranzuschleichen. Das war, bevor sie den Geräuschpegel hinaufschraubten. Danach befürchtete ich im besten Fall einen Ohrenschaden, und außerdem wollte ich den Professor und die Illusion dieses Spektakels nicht auffliegen lassen.
Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als sich plötzlich eine gespenstische Stille über die gesamte Umgebung legte. Totenstille. Manwe und Varda hoben verwirrt ihre runden Köpfchen mit den putzigen Öhrchen und fauchten. Es klang triumphierend. Dann kuschelten sie sich wieder aneinander.
Direkt vor mir bewegte sich etwas. Ich richtete die Taschenlampe auf die Frontscheibe, doch das Licht wurde reflektiert und brachte gar nichts. So schnell ich konnte, wechselte ich auf den Fahrersitz, drehte den Zündschlüssel halb und schaltete das Standlicht ein.
Drei Gestalten kamen auf den Wagen zu.
Wladimir, dieser pingelige Kerl, klopfte sich gerade die Kleider ab und schien soweit in Ordnung zu sein. Aus Elanors Mütze hatten sich einige Haarsträhnen hervorgestohlen. Golden fielen sie bis fast zu ihrer Taille herunter. Sie hatte beide Hände auf das Gesicht einer Gestalt gelegt, von der ich nur lange, schwarze Haare sah. Ich nahm an, dass das Rose war. Sie trug eine dunkelblaue, weite Tunika und dunkle Leggins und war offenbar bewusstlos, denn Wolf trug sie in seinen Armen. Er sah furchtbar aus und schien sich am ganzen Körper Verbrennungen zugezogen zu haben. Einige wenige Fetzen Stoff, die ich beim besten Willen nicht mehr einzelnen Kleidungsstücken zuordnen konnte, waren alles, was von seiner Garderobe übrig geblieben war. Himmel! Dass der sich auf den Beinen halten konnte, war ein Wunder! Er musste sofort in eine Klinik! Sein Gesicht war verschwollen und übel zugerichtet. Über seine linke Schulter und einen Teil der Brust zog sich ein breiter, blutiger Striemen. Der arme Kerl musste ungeheure Schmerzen haben.
Rasch stieg ich aus, um den Erste-Hilfe-Kasten aus dem Kofferraum zu holen, und tastete nach den Schmerztabletten in meiner Hosentasche. Zwei waren noch da. Gut. Entweder ist da etwas fürchterlich schiefgelaufen oder das Make-up ist erste Sahne, dachte ich schwarzhumorig.
Nachdem Manwe und Varda auf dem Beifahrersitz in Sicherheit gebracht worden waren, bettete Wolf die bewusstlose Rose vorsichtig auf die hinteren Sitze. Elanor scheuchte uns davon, kniete sich in den Fußraum zwischen den Sitzen und begann, leise Worte zu murmeln.
»Setz dich in den Kofferraum, Wolf, sonst kippst du noch um. Ich schau gleich, ob ich etwas für dich tun kann. Aber am besten fahren wir gleich in die nächste
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