Elbenkinder - Die ganze Saga (1-7)
die besonders breite und tiefe Spalte erreichte, der er dank Cabrejus gerade noch entkommen war. Nun kletterte er hinein und legte wieder das Ohr hier und dort ans Holz. Sein Gesichtsausdruck wirkte angestrengt.
„Was treibst du da?“, fragte Elbenschreck barsch.
„Ich dachte …“, murmelte Daron. Er sah auf, in Sarwens Richtung.
„Mir brauchst du nicht zu erklären, was du das tust“, sandte diese ihm einen Gedanken.
„Da ist etwas.“
„Ich spüre es auch.“
„Ich habe es vom ersten Moment an bemerkt, da wir in die Nähe dieses Baumes kamen. Aber ich war mir nicht sicher, was es war.“
„Eigentlich gibt es nur eine mögliche Lösung für dieses Rätsel.“
„Es ist kein Rätsel mehr, Sarwen!“ Daron kletterte aus der Spalte. Schließlich wollte er nicht zerquetscht werden, wenn sie sich plötzlich schloss, weil sich das Holz wieder verzog, was im Moment niemand ausschließen konnte. Im Gegenteil, erneut war tief unter ihnen ein verdächtiges Ächzen zu hören. Offenbar bildete sich irgendwo einige Mastlängen unter ihnen ein weiterer Riss in diesem ungeheuer mächtigen Stamm. „Diese besondere Kraft – das muss der Nebelmann sein. Er existiert tatsächlich.“
„Aber er rührt sich nicht!“
„Weil er schläft. Und einen Traum träumt, aus dem er nicht erwachen will.“
Für einen kurzen Moment nahmen Daron und Sarwen die fremdartigen Gedanken des Nebelmanns wahr. Traumbilder überschwemmten ihre Seelen. Das alles dauerte nur einen Augenblick. Da war ein Wald voller Dryadenbäume, der vom Nebelbaum überragt wurde. Tiere, von denen nie jemand gehört hatte und die wohl auch inzwischen längst ausgestorben waren, leben in diesem Wald, dazu Faune, Dryaden und Geschöpfe, die den geflügelten Affen ähnelten. Aber auch Wesen, die keine Form zu haben schienen und denen andauernd neue Arme aus den Körpern wuchsen, gerade so, wie sie diese benötigten.
Doch die geistige Verbindung, die Daron und Sarwen aufgebaut hatten, riss schon nach einem Augenblick wieder ab. Die zum Teil unverständlichen und völlig fremdartigen Traumbilder verschwanden so plötzlich, wie sie in den Köpfen der beiden Elbenkinder aufgetaucht waren.
„Ihr müsst den Nebelmann wecken!“, rief Daron. „Er ist die einzige Macht, die es mit den Waldgeistern aufnehmen kann!“
Der Faunkönig verzog das Gesicht. „Dein Eifer in Ehren, Junge, aber du wärst nun wirklich nicht der Erste, der vergeblich versucht, die Hilfe des Nebelmanns zu rufen!“
„Er nennt mich einen Jungen – dabei bin ich der weitaus Ältere von uns beiden!“, dachte Daron.
„Selbst Schuld, wenn man nicht wachsen will!“ , kam es stumm von Sarwen zurück.
„Er schläft, und man muss ihn wecken!“, sagte Daron. „Ich konnte seine Gedanken und Traumbilder spüren!“
„Ja, er ist so alt geworden, dass er zum Schluss immer öfter und länger schlief und sich seinen Träumen hingab“, erklärte der König der Faune. „Davon berichten auch die Erzählungen der Dryaden, nicht wahr, Brysantis?“
„Ja, das stimmt“, murmelte die Dryade, noch immer vollkommen schockiert von dem, was mit dem Dorf der Waldkatzenkrieger geschehen war, denn dort standen ja auch die meisten Dryadenbäume.
„Und heißt es in euren Erzählungen nicht auch, dass nie wieder jemand die Geister des Waldes so gut bändigen konnte wie der Nebelmann, wenn sie aus irgendwelchen Gründen in Zorn gerieten?“, fragte Sorabos. „Unsere Geschichten berichten jedenfalls davon.“
Brysantis sah den Zentauren erstaunt an. „Ihr kennt Geschichten über den Nebelmann?“
„Wie gesagt, vor sehr langer Zeit stand der Nebelmann einem meiner Vorfahren sehr nahe. Das liegt so lange zurück, dass es wohl weitgehend in Vergessenheit geriet. Mein Vorfahre half einst dem Nebelmann bei der Abwehr von holzfressenden Bestien, die es in diese Wälder verschlagen hatte. Gratox war sein Name, und man erzählt heute noch mit Ehrfurcht davon, dass er alle Zentaurenstämme vereinte, um dieser Gefahr zu trotzen. Zum Dank versicherte ihm der Nebelmann, dass Gratox oder einer seiner Nachfahren ihn jederzeit rufen und seine Hilfe verlangen könnte, wenn er in Not sei.“
„Davon ist in diesem Wald nichts bekannt!“, sagte der Faunkönig.
„Lasst ihn trotzdem weiterreden!“, verlangte Daron.
„Ja, ich will auch hören, was er zu sagen hat“, sagte Brysantis, „auch wenn es ganz und gar unmöglich ist, dass er die Wahrheit spricht.“
„Sie lügt!“, dachte Sarwen. „Sie ahnt,
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