Elbenkinder - Die ganze Saga (1-7)
tun“, mahnte Keandir seine Enkel.
Wenig später befanden sie sich auf Rarax' Rücken in der Luft. Das Riesenfledertier trug sie mit kräftigem Flügelschlag auf den Elbenturm zu, dessen Spitze von Elbenhaven aus als ein dunkler, weit in den Himmel ragender Schattenriss zu sehen war, der sich gegen das Rund des Vollmondes abhob.
Rarax hatte sofort begriffen, wohin der erste und viel kleinere Teil der Reise ging. Es bedurfte noch nicht einmal eines Gedankenbefehls, um ihm klar zu machen, welche Richtung er einzuschlagen hatte.
„Was ist das für ein Geheimnis, das du mit Brass Shelian teilst, aber nicht mit mir?“ , fragte Daron seine Schwester unterwegs mit einem sehr deutlichen Gedanken.
Zunächst erhielt er keine Antwort, und sie verschloss sich auch auf geistiger Ebene vor ihm.
Das bestätigte nur seine Annahme. Er hatte offenbar auf Anhieb richtig erkannt, dass da etwas nicht stimmte.
„Du hast recht“, gab Sarwen schließlich zu. „Und damit du darüber nicht länger grübeln musst, werde ich dir sagen, worum es geht, obwohl ich eigentlich hoch und heilig versprochen habe, dies nicht zu tun.“
„Ich bin gespannt.“
Sarwen öffnete ihre Gedanken, und Daron sah sie erstaunt an. „Du bist zum Mitglied des Schamanenordens geweiht worden?“, entfuhr es ihm laut.
„Ja. Du weißt, es war immer mein Wunsch, alles über das Wissen und die Magie der Schamanen zu erfahren. Aber trotz allem magischen Talent kann man dort nicht aufgenommen werden, solange man nicht für erwachsen befunden wird. Andererseits wollte ich auch nicht schneller erwachsen werden als du, denn dann hätten wir uns auseinander entwickelt. Wer weiß, vielleicht wäre die Verbindung zwischen uns so schwach geworden, dass wir nicht einmal mehr die Gedanken des anderen hätten lesen können. Und das hätte ich sehr bedauert.“
Daron runzelte die Stirn.
Rarax ließ einen lauten Schrei hören, fast so, als wäre auch das Riesenfledertier erstaunt über das, was da gerade zu hören gewesen war.
„Aber … wie hast du es geschafft, trotzdem in den Orden aufgenommen zu werden?“, fragte Daron.
„Brass Shelian meinte, ich sei mit gut zweihundert Jahren alt genug, und die Ordensregel, wonach Kinder nicht Mitglied des Ordens werden können, sei eigentlich nicht für Fälle wie mich gemacht. Abgesehen davon sei mein magisches Talent so groß, dass er für mich eine Ausnahme machen würde. Allerdings müsste das geheim bleiben, denn ansonsten gäbe es innerhalb des Ordens einen Aufstand. Und so bat er mich, wirklich niemandem davon zu erzählen.“
„Wann war das?“
Sarwen zögerte. „Siehst du es nicht, in meinen Gedanken?“
„Bereits vor unserer Reise nach Estorien!“, entfuhr es Daron.
„Daron, ich glaube inzwischen, dass es für uns zum Erwachsenwerden dazugehören wird, dass wir auch Geheimnisse voreinander haben. Irgendwann wirst du das auch erkennen.“
Während des restlichen Fluges zum Elbenturm sagte Daron kein Wort mehr. Dafür dachte er um so mehr nach, aber diese Gedanken verschloss er so gut vor seiner Zwillingsschwester, wie er es nie zuvor getan hatte.
Es ist wohl nicht zu ändern, dachte er. Genau wie es wohl nicht zu ändern ist, dass Halbelben manchmal wachsen, ohne es zu wollen …
Aber vielleicht war das auch nur eine Frage der Konzentration der eigenen Kräfte.
Rarax landete schließlich im Hof der Werkstatt-Burg.
Daron und Sarwen kletterten vom Rücken des Riesenfledertiers. Sie hatten dem Tier ein Geschirr aus festen Riemen angelegt, an dem sich einige Taschen befestigen ließen. Sie waren auf die Schnelle gepackt worden, denn keiner der beiden Zwillinge hatte damit gerechnet, in dieser Nacht noch eine Reise ans hinterste Ende des Zwischenlandes zu unternehmen.
Die Wächter, die auf den Wehrgängen der Werkstatt-Burg ihren Dienst versahen, hatten Daron, Sarwen und ihr Riesenfledertier gleich erkannt und sofort erfasst, dass keine Gefahr drohte. Elben hatten einen scharfen Blick, und ihre Augen sahen auch bei Dunkelheit sehr viel genauer als die von Menschen, Zentauren und vielen anderen Geschöpfen bei Tageslicht.
In der Werkstatthalle brannte noch Licht, und man hörte jemanden hämmern.
„Thamandor scheint mal wieder die Nacht durchzuarbeiten“, vermutete Sarwen.
„Ich hoffe nur, dass er nicht ausgerechnet den neuen Flammenspeer komplett in seine Einzelteile zerlegt hat und jetzt erst mal zwanzig oder dreißig Jahre brauchen wird, um all die kleinen Stückchen seiner komplizierten
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