Elbenkinder - Die ganze Saga (1-7)
er etwas von den Kräften in dem Stein heraussaugte.
Ein Lächeln glitt über das Trugbild seines Gesichts. Dann blickte er zu dem Riesenfledertier hinüber, das mit starken Seilen gefesselt war, die zugleich durch in den Boden eingelassene Eisenringe gezogen und festgezurrt waren, sodass sich das Wesen nicht von der Stelle rühren konnte.
„Wir sollten es mit Ketten festschmieden!“, schlug einer der Whanur vor, die als Wächter im Thronsaal des Herrschers ihren Dienst taten. „Bevor sich dieses Ungeheuer doch noch losreißt!“
Der Knochenherrscher erhob sich. „Das wird nicht nötig sein“, meinte er. „Denn schon in Kürze wird mir dieses Wesen treu dienen, so wie es einst Xaror, dem Herrn des Bösen, gedient hat!“
Als wollte das Riesenfledertier gegen diese Worte protestieren, brüllte es laut los und versuchte ein weiteres Mal, die Fesseln zu sprengen.
„Ganz ruhig“, murmelte der Knochenherrscher. „Ganz ruhig … Bald schon werde ich auf deinem Rücken über mein Reich fliegen.“ Er kicherte, und für einen Moment vergaß er sogar das Trugbild seines bläulichen Gesichts aufrechtzuerhalten, sodass darunter der Totenschädel hindurchschimmerte.
Daron und Sarwen gingen zum Burgtor. Ihre Augen waren schwarz wie die Nacht, aber davon konnten die Wächter nichts sehen. Für sie waren die Beiden die Whanur-Soldaten vor dem Fallgitter, die der Herrscher ausgeschickt hatte, um etwas zum Fressen für das gefangene Riesenfledertier zu besorgen. In der Speisekammer des Knochenherrschers gab es nämlich nicht einmal Ratten, denn sie diente seit langer Zeit nur noch als Abstellkammer, denn der Herrscher ernährte sich schon seit vielen Jahren ausschließlich von magischer Kraft. Wann immer er Gegenstände finden konnte, die auch nur ein bisschen davon enthielten, sorgte er dafür, dass man sie in seinen Turm brachte – so wie es mit dem Juwel der Kleinlinge geschehen war.
„Na, da wird sich das niedliche Tierchen aber freuen!“, sagte einer der Wächter, denn er glaubte nicht nur, dass die beiden Elbenkinder Whanur-Krieger waren, sondern auch, dass sie voll beladen mit frischem Fisch zurückkehrten.
Das Fallgitter wurde hochgezogen, und die Elbenkinder traten darunter hindurch.
„Danke“, sagte Daron und flüsterte noch eine kurze Beschwörungsformel, um die Wirkung der Elbenmagie etwas zu stärken.
„Keine Ursache“, kam es von den Wächtern zurück. „Hauptsache, das Biest mag die Körbe voll Fische auch, mit denen ihr euch da abschleppt!“
„In Kürze wissen wir es“, gab Sarwen zurück, wobei die Wächter eine zischende Whanur-Stimme zu hören glaubten.
Daron und Sarwen gingen unbehelligt an ihnen vorbei und erreichten den Turm.
„Wo ist der Eingang?“ , fragten Sarwens Gedanken.
„Jedenfalls sollten wir ihn schnell finden“, sandte Daron zurück, „denn wenn zwei angebliche Krieger des Herrschers lange danach suchen müssen, ist das mehr als auffällig.“
Sie wollten den Turm umrunden, da rief einer der Soldaten von der Brustwehr herab: „He, hat euch der Fischgeruch schon die Sinne betäubt? Ihr müsst in die andere Richtung!“
„Danke!“, rief Daron.
„Ich bin ja auch der Meinung, dass man den Turm besser beleuchten sollte“, meinte der Echsenmann auf dem Wehrgang. „Aber irgendwie scheint der alles Licht zu verschlucken!“
Ja, dachte Sarwen. Weil er viel Magie enthält. Dunkle Magie …
Wenig später entdeckten sie den Eingang zum Turm. Er lag in einer schattigen Nische, die so finster war, dass selbst ein Elb dort nicht die Hand vor Augen sehen konnte.
Aber rechts und links dieser Nische stand je ein Wächter, und so konnten die Elbenkinder den Eingang dennoch ausmachen.
„Ihr werdet schon erwartet“, sagte einer der Wächter, ebenfalls ein Whanur. Er zischte einmal so durchdringend, dass es für ein Elbenohr kaum zu ertragen war, und danach öffnete sich die Tür wie von allein. Innen war es hell. An den Wänden hingen Dutzende Fackeln, die ein blaues flackerndes Licht verbreiteten.
Ein Blauling-Diener schien sie erwartet zu haben und sagte: „Folgt mir!“
Dass ließen sich Daron und Sarwen nicht zweimal sagen.
Der Blauling führte sie durch breite Gänge, an deren Wänden Steinreliefs angebracht waren. Was diese in Stein behauenen Bilder aber darstellen sollten, war nicht mehr zu erkennen. Zu verfallen war das Gemäuer schon. Hier sah man mal etwas, das vielleicht ein Gesicht gewesen war, dort etwas, das ein Schwert oder ein Speer gewesen sein
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