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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und verließ, gefolgt von den anderen, das Zimmer.
Erst als sich die Tür mit einem Knall hinter ihnen
schloss, fielen das Entsetzen und die Lähmung, die Lancelot ergriffen hatten, wieder von ihm ab. Plötzlich überschlugen sich seine Gedanken. Seine Hände begannen zu
zittern und mit einem Mal hatte er das Gefühl, schreien,
irgendetwas zerschlagen zu müssen. Er trat mit seinem
Panzerstiefel so wuchtig gegen einen Schemel, dass dieser
quer durch den Raum flog und an der gegenüberliegenden
Wand zersplitterte, und schlug dann mit der geballten
Faust gegen die Wand.
Der hässliche Schmerz, mit dem seine Knöchel aufplatzten und zu bluten begannen, riss ihn in die Wirklichkeit
zurück. Und plötzlich packte ihn Zorn, aber eine völlig
andere, stille Art von Zorn, die fast an Hass grenzte. Er
war bis jetzt viel zu entsetzt gewesen, um es zu begreifen,
aber nun wurde ihm klar, warum Artus es so eilig gehabt
hatte und warum er in Begleitung ausgerechnet dieser Ritter gekommen war. Er hatte ihm nicht die geringste Chance gelassen, sich zu verteidigen, denn alles, was er zu seiner Verteidigung hätte vorbringen können, waren Dinge,
die nur für Artus’ Ohren und sonst niemanden bestimmt
waren. Natürlich hatte er ihn nicht zum Tode verurteilen
wollen und gar nicht können.
Elben töten keine Elben, das waren seine eigenen Worte
gewesen, und Lancelot war nun überzeugter denn je, dass
er es gar nicht gekonnt hätte, so wenig wie er in der Lage
gewesen war, Morgaine zu erschlagen.
Artus musste erkannt haben, dass er endgültig und unwiderruflich nutzlos für ihn geworden war – kein Werkzeug mehr, sondern eine Gefahr –, und er hatte die einzige
elegante Möglichkeit gewählt, sich seiner zu entledigen,
die es gab. Seine vermeintliche Großzügigkeit war in
Wahrheit ebenso niederträchtig und heimtückisch wie das
ehrenvolle Begräbnis, das er dem Küchenjungen gegeben
hatte, der an seiner Stelle gestorben war.
Lancelot hob die schmerzende Hand, bewegte die Finger
und betrachtete das Blut, das an seinem Handrücken und
dem Gelenk hinunterlief. Sein Blut, das er selbst vergossen hatte. Nicht Artus.
Elben töten keine Elben.
Das mag stimmen, dachte Lancelot. Aber es bedeutete
nicht, dass sie sich gegenseitig nichts Schlimmeres antaten.
    Es hatte keinen Abschied gegeben, kein Lebewohl, nicht
einmal einen Blick zurück. Lancelot hatte einfach sein
Gemach verlassen und war durch den offenbar menschenleeren Turm nach unten auf den Hof und geradewegs zum
Stall gegangen, wo er ohne die mindeste Überraschung
festgestellt hatte, dass das Einhorn bereits fertig gesattelt
auf ihn wartete. Nicht eine Menschenseele war ihm begegnet, als er den Burghof überquerte, und selbst von den
Wachen am Tor zeigte sich nicht einmal ein Schatten. In
diesem Punkt unterschied sich Camelot in nichts von irgendeiner beliebigen Stadt auf der Welt: Schlechte Nachrichten machten hier schnell die Runde. Vermutlich, dachte er bitter, war er der Letzte, der erfahren hatte, dass er
geächtet und ab morgen früh vogelfrei war.
    Eine unheimliche Stille hatte sich nach der Schlacht über
die Stadt gelegt. Er hörte nicht den mindesten Laut. Selbst
das helle Hufklappern des Einhorns auf dem harten Kopfsteinpflaster der menschenleeren Straße schien von dieser
unheimlichen Stille verschlungen zu werden, bevor es sich
an den Wänden der Häuser brechen und als Echo zurückkehren konnte. Er sah keine Spur von Leben, keinen
Hund, keine Katze, keine Ratte oder irgendeine der anderen Kreaturen, die die Straßen Camelots bevölkerten,
wenn ihre angestammten Besitzer sich zur Nachtruhe zurückgezogen hatten.
    Die drei hintereinander liegenden Tore der verschiedenen Stadtbezirke standen weit offen und er sah auch hier
niemanden. Erst als er sich dem äußeren, nach Westen
führenden Tor näherte, gewahrte er zum ersten Mal wieder
Menschen: ein paar Wächter, die sich als schwarze Schatten hinter den Zinnen oben auf der Burgmauer abhoben
und schweigend zu ihm herunterblickten, und zwei oder
drei Männer, die sich beeilten einen der schweren Torflügel zu öffnen, als sie sein Näherkommen bemerkten. Lancelot war sicher, dass auch sie ihn nicht ansprechen, sondern ganz im Gegenteil seine Nähe meiden würden wie
die eines Pestkranken. Umso überraschter war er, als eine
der Gestalten sich aus dem Schatten des Torbogens löste
und ihm den Weg vertrat. Das Einhorn schnaubte unwillig
und Lancelot ergriff die Zügel fester. Er

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