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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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spürte die Gereiztheit des Tieres und trotz allem war ihm nicht daran
gelegen, Camelot mit einem Akt sinnloser Gewalt zu verlassen.
»Geht aus dem Weg«, sagte er grob. »Ich habe es eilig.«
    Die Gestalt – er konnte sie noch immer nur als Schatten
erkennen – tat tatsächlich einen Schritt zur Seite, wenn
auch mehr aus Respekt vor dem Einhorn als seiner Worte
wegen, machte aber dann kehrt und trat mit drei, vier raschen Schritten durch das Tor aus der Stadt hinaus, ehe sie
stehen blieb und sich wieder umdrehte.
    Nun, im blassen Licht der Sterne und der schmalen
Mondsichel, konnte Lancelot das Gesicht endlich erkennen.
    Überrascht zügelte er sein Tier.
»Ihr?« Lancelots Hand senkte sich zum Schwert, zuckte
dann mit einer so hastigen Bewegung wieder zurück, als
hätte er um ein Haar glühendes Eisen berührt.
»Wen habt Ihr erwartet, Küchenjunge?«, fragte Sir Mandrake mit einem leisen abfälligen Lachen.
»Küchen…« Lancelot riss ungläubig die Augen auf.
»Was soll das bedeuten?«
Wieder lachte Sir Mandrake spöttisch, dann machte er
einen Schritt und zugleich eine einladende Bewegung mit
der unverletzten Hand. »Lasst uns ein Stück gehen«, sagte
er. »Es sei denn, Ihr legt Wert darauf, dass jeder unsere
Unterhaltung hört.«
Erneut vergingen Sekunden, bevor Lancelot seine Überraschung überwand und das Einhorn weiterlaufen ließ –
und auch dann erst, nachdem er einen raschen Blick nach
rechts und links geworfen hatte. Es war so dunkel, dass
nichts zu erkennen war, was sich weiter als ein Dutzend
Schritte entfernt befand, aber er hätte es gespürt, wäre
jemand in ihrer Nähe gewesen.
Mandrake ging gut zwei Dutzend Schritte, bevor er stehen blieb, sich wieder herumdrehte und mit sichtlicher
Ungeduld darauf wartete, dass Lancelot zu ihm aufholte
und aus dem Sattel stieg.
»Also«, begann Lancelot, jetzt wieder mit fester Stimme.
»Was wollt Ihr von mir? Und was soll dieser Unsinn?«
Mandrake maß ihn mit einem fast mitleidigen Blick. Er
sah noch erschöpfter aus als vorhin in der Burg, aber der
Triumph in seinen Augen und der böse Spott in seinen
Worten waren echt, nicht nur der geschauspielerte Trotz,
der sich oft hinter einem solchen Benehmen verbirgt.
»Hast du wirklich geglaubt, du könntest mich mit deiner
silbernen Rüstung und dem prachtvollen Schwert täuschen, kleiner Junge?«, fragte er. Seine Stimme klang immer noch höhnisch. Er schüttelte den Kopf. »Dulac …
sag: War es deine Idee, dich Lancelot du Lac zu nennen,
oder die Merlins? Diese Art von Humor sieht ihm nämlich
ähnlich.«
Lancelot wollte protestieren, aber dann sagte er sich
selbst, wie albern das wäre. Und es hatte auch keinen Sinn
mehr. »Wie lange wisst Ihr es schon?«, fragte er.
»Lange genug«, erwiderte Mandrake. »Aber mach dir
keine Sorgen, Küchenjunge, ich bin der Einzige, der es
weiß. Außer vielleicht … Artus?«
Lancelot antwortete nicht darauf, sondern starrte den
Ritter nur an.
»Warum ziehst du nicht dein Zauberschwert und erschlägst mich?«, fragte Mandrake.
Tatsächlich bewegte sich Lancelots Hand wieder in
Richtung des Schwertgriffes und wieder zog er den Arm
hastig zurück. Trotzdem glaubte er zu spüren, wie die
Waffe in ihrer ledernen Hülle vor Gier zu zittern begann.
»Seid Ihr deshalb hierher gekommen?«, fragte er leise.
» Wollt Ihr, dass ich Euch erschlage?«
»Das könntest du nicht«, behauptete Mandrake.
»Ich nicht«, antwortete Lancelot. »Dieses Schwert
schon.«
»Und doch wirst du es nicht tun«, war Mandrake überzeugt. »Denn dann hätte Artus endgültig gewonnen, nicht
wahr?«
»Wenn Ihr es all die Zeit über gewusst habt, warum habt
Ihr nichts gesagt?«, erkundigte sich Lancelot.
»Vielleicht hatte ich die Hoffnung, dass es Artus merkt«,
antwortete Mandrake. »Aber vielleicht wollte ich ihm
auch nur die Schmach ersparen, an der Seite des gleichen
rotznäsigen Bengels in eine Schlacht geritten zu sein, der
ihm noch eine Woche zuvor den Wein gebracht und seinen Nachttopf geleert hat.«
»Warum das alles?«, fragte Lancelot. Er war überhaupt
nicht zornig, nur unendlich müde. »Warum hasst Ihr mich
so, Sir Mandrake?«
»Zumindest darauf solltest du dir selbst eine Antwort
geben können, Küchenjunge«, erwiderte Mandrake.
»Ist es das?«, fragte Lancelot. »Weil ich nur ein Küchenjunge bin? Weil ich nicht von edler Geburt und dem nötigen Stand bin? Weil ich mir angemaßt habe, Euch gleich
zu sein?«
Einen Moment lang schien Mandrake

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