Elbenschswert
Artus wieder an Lancelot und fuhr
fort:
»Ich müsste Euch in den Kerker werfen lassen, das ist
Euch klar, Sir«, sagte er. »Aber im Moment haben wir
andere Probleme in Camelot. Mir ist sehr wohl bewusst,
wie tief wir alle in Eurer Schuld stehen. Habe ich Euer
Wort, dass Ihr diesen Raum nicht verlassen und auch sonst
keinen Fluchtversuch unternehmen werdet?«
»Selbstverständlich«, antwortete Lancelot.
»Dann soll es mir auch genügen.« Artus nickte. »Ich
werde zurückkommen, sobald draußen an der Mauer wieder Ruhe eingekehrt ist. Bis dahin werdet Ihr hier bleiben
und mit niemandem reden.«
Es verging noch eine Stunde, wenn nicht mehr, bis der
Lärm der Schlacht in der Ferne allmählich leiser wurde
und dann ganz erlosch. Dennoch blieb der Himmel im
Norden rot, wie in Blut getaucht, und nachdem sich der
Wind abermals gedreht und aufgefrischt hatte, trug er
Brandgeruch mit sich. Lancelot stand die ganze Zeit reglos
am Fenster und blickte hinaus, aber er sah weder den Feuerschein noch die tanzenden Schatten wirklich und er hörte auch nicht das Tosen der Schlacht und die Schreie der
Sterbenden und Verwundeten oder das Prasseln der
Flammen. Er hätte hinterher auch nicht sagen können, was
in dieser Zeit in ihm vorgegangen war.
Wenn es überhaupt so etwas wie ein klar fassbares Gefühl gab, an das er sich erinnerte, dann war es eine absurde
Art von Erleichterung. Ganz gleich, was jetzt geschehen
mochte, er war froh, dass das Versteckspiel ein Ende hatte.
Auch nachdem die Schlacht vorüber war, blieb er noch
lange Zeit allein. Die beiden Ritter, die ihn hierher begleitet hatten, hatten ihm weder seine Waffe noch seine Rüstung abgenommen und auch die Tür nicht verschlossen.
Lancelot hatte nicht nachgesehen, aber er war sicher, dass
es draußen auf dem Gang keine Wache gab. Er hatte Artus
sein Wort gegeben, hier zu bleiben, und nicht nur der König selbst musste wissen, dass ihn dieses Wort viel mehr
band, als es jeder bewaffnete Posten draußen auf dem
Gang getan hätte.
Mitternacht war längst vorüber. Die Nacht war dem
nächsten Morgen näher als dem vergangenen Abend, als
er endlich wieder Schritte auf dem Gang hörte.
Lancelot blieb vor dem Fenster stehen und blickte zur
Tür, die nur einen Augenblick später aufgestoßen wurde.
Artus, Gawain und Parzifal, Mandrake und Galahad betraten den Raum.
Galahad schloss die Tür und Artus kam mit steinernem
Gesicht einige Schritte näher, blieb aber in halber Entfernung stehen. Er sah sehr müde aus. Sein Mantel und seine
Rüstung waren nun so zerschrammt, verdreckt und blutbesudelt wie die der anderen, und Lancelot las eine Müdigkeit in seinem Blick, die weit tiefer ging als eine rein körperliche Erschöpfung.
Es wurde sehr still. Lancelot wartete darauf, dass Artus
das Wort ergriff, aber es verging eine Ewigkeit, in der der
König ihn nur ansah und sichtlich nach den richtigen Worten suchte ohne sie zu finden. Schließlich löste er sich mit
einem Ruck aus seiner Starre, räusperte sich mehrmals
und begann mit lauter Stimme:
»Lancelot du Lac, Ihr wisst, warum wir gekommen
sind.«
Lancelot nickte nur.
»Wir sind hier, um über Euch Gericht zu halten«, fuhr
Artus fort. Er sah Lancelot dabei fest in die Augen, aber
irgendwie gelang es ihm, seinem Blick trotzdem auszuweichen. Er schien etwas zu sehen, das hinter Lancelot
war, auf jeden Fall aber weit, weit entfernt. »Die Umstände und der Mangel an Zeit erlauben es uns nicht, eine ordnungsgemäße Verhandlung abzuhalten, auf die Ihr ein
Recht hättet, Sir. Aus diesem Grunde habe ich die vier
Ritter hier als meine Zeugen mitgebracht, damit mir niemand nachsagen kann, Euch wäre keine faire Chance zuteil geworden, Euch zu rechtfertigen.«
Lancelot hätte gerne widersprochen, dass es nichts gab,
wessen er sich rechtfertigen müsste, aber eine innere
Stimme sagte ihm, dass es besser war, nichts zu erwidern.
Allein der Klang von Artus’ Stimme machte ihm klar, wie
sinnlos jedes Wort war. Das Urteil stand längst fest. Artus
war nicht gekommen, um über ihn Gericht zu halten. Er
war hier, um ihm das Urteil zu verkünden.
»Ihr, Sir Lancelot du Lac«, fuhr Artus nach einer Pause
fort, »werdet beschuldigt, Euren König hintergangen zu
haben. Ihr werdet des Ehebruchs mit der Königin und damit des Hochverrats beschuldigt. Habt Ihr zu diesen Anschuldigungen etwas zu sagen, Sir?«
Am liebsten hätte Lancelot laut aufgelacht, aber zugleich
schnürte ihm die Absurdität dieser
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