Elbenzorn
beiden.
Nachdenklich ging sie zurück nach Hause. Gintaris hatte etwas von einer Sondersitzung des Rates gesagt, bei der darüber beraten worden war, ob die Befugnisse der Garde ausgeweitet werden sollten. Es sei vor allem um die Frage gegangen, was bei einer möglichen Bedrohung der inneren Sicherheit geschehen sollte. Das Ganze hatte seinen Ursprung in der Ermordung Horakins, und der Rat hatte entschieden, dass künftig in solchen und ähnlichen Fällen einige neue Notstandsregelungen in Kraft treten sollten. Iviidis hätte Gintaris gerne näher dazu befragt, aber sie hatte Vinootas Miene gesehen. Ihre Freundin hätte ihr Interesse für dieses Thema sicherlich befremdlich gefunden, und Iviidis wollte nicht zu neugierig erscheinen.
Gintaris Worte erinnerten sie an das Gespräch zwischen Zinaavija und Nekiritan, das sie auf dem Empfang so bruchstückhaft belauscht hatte. Darin war auch von der Garde und dem Ausnahmezustand die Rede gewesen, und möglicherweise war es darin um ebendiese Sondersitzung des Rates gegangen.
Iviidis seufzte. Ihren Vater konnte sie danach nicht fragen, Glautas war verreist. Also würde sie Nekiritan jetzt ein Briefchen zurücksenden und ihn wirklich für den Abend einladen. Auch wenn er ihr nichts erzählte, wollte sie doch gern ausprobieren, bei welchen Themen er sich empfindlich zeigte.
Und bis dahin konnte sie sich in einen ruhigen Innenhof zurückziehen und sich ungestört weiter mit Lootanas und Andronees Aufzeichnungen beschäftigen.
In ihrem Zimmer wartete Broneete auf sie. Die Gardistin erhob sich hastig von dem Hocker, auf dem sie gesessen hatte, und stammelte eine Entschuldigung, weil sie die Dreistigkeit besessen hatte, in Iviidis’ Gemach auf sie zu warten.
Iviidis beruhigte sie und fragte, warum Broneete so dringend mit ihr zu sprechen wünschte.
Die Gardistin atmete mit einem Seufzer aus und erzählte von dem Treffen im Haus, das sie belauscht hatte. »Ich wollte nicht herumspionieren«, beteuerte sie. »Glaube mir, es war ein dummer Zufall.«
Iviidis schüttelte geistesabwesend den Kopf. Sie verschränkte die Arme und ging ruhelos durch den Raum. »Was haben sie nur vor?«, fragte sie.
»Wenn wir wenigstens wüssten, wo dein Vater ist und wann er zurückkehrt«, sagte Broneete.
»Ich werde heute Abend Nekiritan fragen. Ich bin sicher, dass er es weiß.« Iviidis strich sich ärgerlich eine Locke aus der Stirn. »Der Rat fürchtet anscheinend irgendeine Bedrohung – ob von innen oder von außen, weiß ich nicht. Die Garde soll mit größeren Befugnissen ausgestattet werden.«
»Das hört sich beinahe nach Krieg an. Aber warum und gegen wen?«
»Wir leben in Frieden mit unseren Nachbarn«, sagte Iviidis. »Aber möglicherweise geht es gar nicht darum, Krieg zu führen. Ich denke, die Bedrohung befindet sich hier, mitten im Herzen des Wandernden Hains.«
»Wie meinst du das?«
Iviidis biss sich auf die Lippe. Sie hatte Alvydas versprochen zu schweigen. »Ich glaube, dass jemand versucht, sich den Thron anzueignen«, sagte sie deshalb nur.
Broneete starrte sie an. »Das klingt …«, begann sie und unterbrach sich verlegen.
Iviidis lachte auf. »Das klingt irrsinnig, ich weiß. Eine Verschwörung, ein Staatsstreich, finstere Ränke um eine Krone … Ich kann auch nicht glauben, dass so etwas wirklich passiert. Aber was ist mit dem Mord? Und denk an das, was du belauscht hast. Wie hat sich das angehört?«
Broneete wiegte nachdenklich den Kopf. »Sie sprachen von ›Geschäftspartnern‹«, gab sie zu bedenken. »Das klingt nach Handel, nicht nach Mord.«
»Und das Gerede von Blut und Chaos?«, fragte Iviidis. »Und gibt es dir nicht zu denken, dass der Rat es für nötig hält, die Garde zu stärken? Warum sollte er das tun, wenn nichts zu fürchten ist?« Broneete schwieg mit besorgter Miene. Iviidis nahm ihre Hand. »Sei ruhig«, sagte sie. »Mein Vater wird nicht ewig fort sein, und sobald er wieder hier ist, werden wir beide ihn unverzüglich aufsuchen. Er wird wissen, was zu tun ist. Und bis dahin fische ich noch ein bisschen im Trüben herum. Ich denke, bei Nekiritan anzufangen ist nicht falsch.«
»Ist das nicht zu gefährlich?«, fragte Broneete. »Wenn er auch dazu gehört …«
»Was soll er tun?«, sagte Iviidis. »Mich beseitigen? Das kann er nicht. Außerdem – er macht sich immer noch Hoffnungen, dass ich Olkodan seinetwegen verlasse. Wenn ich ihn darin ein bisschen bestärke, wird das sein Misstrauen sicher schmälern.«
Broneete nickte
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