Elbenzorn
bewenden und griff wieder nach seinem Glas. »Ich denke nicht, dass Zinaavija Glautas in irgendeiner Weise hintergeht«, sagte er. »Sie ist ihm so treu ergeben, wie es nur möglich ist. Mach dir keine Sorgen deswegen, Ivii.« Er lächelte sie an. »Ihr beide seid nicht gerade gute Freundinnen, oder?«
Sie schüttelte den Kopf und hob die Schultern. »Ja, da hast du recht«, sagte sie. »Wahrscheinlich ist jede ein wenig eifersüchtig auf die andere. Deswegen war es auch gut, dass ich von hier fortgegangen bin.«
»Das war sehr schade«, sagte er. »Und ich hoffe, du bleibst jetzt bei uns. Glautas ist glücklich darüber, dass du wieder in seinem Hause wohnst. Und ich wäre es auch«, setzte er leiser hinzu.
Iviidis lächelte und antwortete nicht.
Nekiritan verabschiedete sich wenig später, nachdem sie sich für einen der kommenden Tage verabredet hatten, um den ausgefallenen Ausflug nachzuholen.
Iviidis saß noch eine Weile in dem Höfchen und dachte nach. Sie hatte nichts wirklich Wichtiges von Nekiritan erfahren, und ihr war wieder einmal klar geworden, dass sie nicht dafür taugte, anderen Geheimnisse zu entlocken. Das höfische Spiel der Intrigen, Betrügereien, falschen Schmeicheleien und versteckten Botschaften hatte ihr früher schon kein Vergnügen bereitet, und deshalb hatte sie sich auch nie darüm bemüht, es zu lernen. Sie war zufrieden damit gewesen, im Archiv zu arbeiten, sich ihren Forschungen zu widmen und ihrem Vater zur Hand zu gehen. Iviidis blickte zum Nachthimmel auf, an dem kein Stern zu sehen war. Ein paar Tropfen fielen in ihr emporgewandtes Gesicht, und es roch süß nach Regen. Sie streckte die Arme aus und genoss das Gefühl der weichen Feuchtigkeit auf ihrer Haut.
Ermüdet von dem nutzlosen Getändel mit Nekiritan überlegte sie einen Moment, ob sie nicht einfach alles ihrem Vater überlassen sollte. Sobald er wieder daheim war, könnte sie mit Broneete zu ihm gehen, und dann würde er die Sache in die Hand nehmen. Sie hatte schließlich genug damit zu tun, die Aufzeichnung von Alvydas abzuschließen und sich dann weiter um ihr Forschungsgebiet zu kümmern. Und was Olkodan betraf – in den nächsten Tagen würde sie ihm eine Nachricht schicken, dass er zu ihr kommen sollte, und dann würde sie ihn fragen, was er davon hielte, hierher zurückzukehren – wenigstens für eine Weile.
Iviidis lächelte bei dem Gedanken, Olkodan bald wiederzusehen. Sie vermisste ihn. Es würde schön sein, ihn bald wieder bei sich zu haben. Dann seufzte sie. Glautas von Broneetes und ihren Vermutungen zu erzählen war richtig, und das würde sie tun. Aber sie ahnte, dass niemand sie davon abbringen würde, ihre Nase weiter in diese dubiose Angelegenheit zu stecken – noch nicht einmal sie selbst.
Der Morgen war kühl und ein wenig verhangen. Es hatte ausgiebig geregnet in der Nacht, und die Luft roch frisch und nach nassem Gras. Iviidis schritt kräftig aus und genoss das Gefühl, mit den Füßen durch Pfützen und über feuchtes Moos und nasse Erde zu laufen.
Alvydas schnupperte, als sie in seine Baumhöhle trat, und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Ah, Regen«, sagte er. »Ich hatte heute Nacht das Gefühl, dass es regnet, aber ich war zu faul hinauszuklettern.«
Iviidis hielt ihm einige Zweige und Blüten hin, an denen noch Regentropfen hingen. Er nahm sie, roch daran und strich mit behutsamen Fingern darüber. »Danke«, sagte er.
»Sollen wir anfangen?«, fragte Iviidis. »Fühlst du dich kräftig genug?«
Alvydas holte wortlos den Schwarzbernstein hervor. Als Iviidis danach griff, hielt er ihre Hand fest. »Wir werden heute fertig«, sagte er.
Iviidis atmete lang aus. »Gut«, sagte sie. »Gut. Dann beginne ich morgen mit der Archivierung.«
Alvydas ließ sie nicht los. Seine Opalaugen musterten sie scharf. »Bedrückt dich etwas?«, fragte er.
Iviidis zögerte. »Ja«, sagte sie schließlich. »Ja, ich mache mir Sorgen. Rutaaura hat mich hergeschickt, damit ich mich umsehe und umhöre und vielleicht herausfinde, was vor sich geht. Ich dachte, es wäre ein Spaß und nicht viel dahinter, aber inzwischen weiß ich, dass beunruhigende Dinge geschehen. Und ich habe festgestellt, dass ich mich nicht sonderlich dazu eigne, herumzuschnüffeln und Leute auszufragen, um Dinge herauszufinden, die andere geheim halten wollen.« Sie presste die Lippen zusammen. »Nenn mich naiv, aber ich mag mein ruhiges, geordnetes Leben und beschäftige mich lieber mit alten Aufzeichnungen als mit
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