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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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als sie endlich an seinem Grund angekommen waren. Rutaaura lockerte ihren Griff um das Sattelhorn und bemerkte jetzt erst, dass sie sich während des ganzen Abstiegs daran festgeklammert hatte. Sie blickte zurück auf den Weg, den sie gekommen waren. »Es dürfte schwierig sein, euch überraschend zu besuchen«, sagte sie.
    »Unmöglich«, sagte Sonnenlied. Sie deutete nach oben. »Windgesangs Augen geben acht.«
    Rutaaura blickte zu den Vögeln empor, die unaufhörlich, beinahe ohne Flügelregung, in unsichtbaren Aufwinden in der Luft standen.
    »Und wenn doch jemand an ihnen und an euren Patrouillen vorbeikommt, könnt ihr ihn auf dem langen Abstieg ganz bequem aus der Wand schießen«, sagte sie nachdenklich. »Ihr habt doch sicher Bogenschützen?«
    »Du siehst ihr nicht nur ähnlich, du denkst sogar wie die Älteste«, sagte Sonnenlied lachend.
    »Was meinst du damit?«, fragte Rutaaura verblüfft.
    Sonnenlied antwortete nicht. Sie ritten schweigend durch einen lockeren Bestand von Zirbelkiefern. Trockene Nadeln und kleine Ästchen knisterten und knackten unter den Schritten ihrer Reittiere. Es roch würzig nach Harz, und hin und wieder sprang eine Zirbelnuss unter den Füßen der Skralls weg und rollte ins dichte Unterholz.
    Rutaaura erwartete, dass sie hier irgendwo auf eine Ansiedlung von Hütten stoßen würden, die sie von oben nicht hatte ausmachen können. Aber sie verließen schließlich den Wald und ritten weiter durch die Flussebene, überquerten den Fluss an einer Furt und ritten ein Stück am Ufer entlang. Der Weg führte sie wieder in einen Wald, der merklich dichter war als der, den sie gerade verlassen hatten, und stieg leicht an. Sie ritten auf eine der Kraterwände zu. Sonnenlied stieß einen leisen Ruf aus und deutete nach vorne. Rutaaura blickte an ihrer Schulter vorbei und sah, wie die Reiter einer nach dem anderen einfach zu verschwinden schienen.
    Als sie näher kam, erkannte sie den Grund dafür – vor ihr verbarg ein dicht geflochtenes, mit belaubten Zweigen besetztes Netz einen Durchgang. Sonnenlied lenkte den Skrall geschickt durch die schmale Öffnung, und Rutaaura fand sich im Dunkeln wieder. Die Geräusche der Reitenden klangen dumpf von unsichtbaren Wänden wider. Ihre Augen passten sich an, und sie erkannte, dass sie sich durch einen schmalen Stollen bewegten. Die Decke des Ganges war dicht über Rutaauras Kopf, was ein leises Gefühl der Beklemmung hervorrief.
    Der Skrall aber trabte ungerührt voran, und schon bald erreichten sie eine große Höhle, in die ein Dutzend weiterer Gänge mündete. Elbenfeuer beleuchtete die Höhle gerade so weit, dass man sich orientieren konnte.
    »Was ist das hier?«, fragte Rutaaura, unwillkürlich flüsternd.
    »Wir sind gleich da«, erwiderte Sonnenlied ebenso gedämpft. »Du wirst schon sehen.«
    Sturmtänzer führte sie in einen Gang zu ihrer Linken, der zuerst ein Stück abwärts führte, bevor er steil anstieg. Der Gang sah nicht aus, als wäre er kürzlich erst angelegt worden. Seine unebenen Wände waren dicht bemoost und glänzten feucht im diffusen Licht der Elbenfunken, die jetzt in den Händen der Reiter glühten. In unregelmäßigen Abständen tauchten Öffnungen in den Wänden auf, hinter denen weitere Höhlen oder Gänge lagen. Anscheinend stießen sie immer tiefer in ein wahres Labyrinth vor. Es ging kreuz und quer durch Höhlen und Gänge, und Rutaaura hatte bald die Orientierung verloren; ohne Hilfe würde sie niemals zum Eingang zurückfinden. Unbehaglich drehte sie sich im Sattel um und blickte nach hinten.
    Der Reiter, der ihnen schweigend folgte, sah sie fragend an. Sie nickte ihm nur stumm zu und wandte sich wieder nach vorne, seufzte leise und beschloss, sich keine Gedanken zu machen. Man würde sie wohl kaum gegen ihren Willen hier festhalten, und wenn sie gehen wollte, konnte sie ja jemand hinausführen.
    Erneut bogen sie in einen Gang, der diesmal steil wie eine Treppe emporführte. Sie hielt sich am Sattelknauf fest, während sie die starken Muskeln des Skralls unter sich arbeiten fühlte. Plötzlich war da Tageslicht. Sie blinzelte geblendet. Ein Luftzug fächelte ihre Wangen, und sie atmete begierig die frische Luft ein, die süß auf ihrer Zunge schmeckte.
    Sie waren in einem kleinen Kessel angelangt, das winzige Gegenstück zu dem weiten Tal. Ein Weg führte hindurch, und sie konnte zwischen den locker stehenden Bäumen die Wände und schiefergedeckten Dächer von Holzhütten erkennen.
    Vor der ersten Hütte

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