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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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zügelte Sturmtänzer seinen Skrall und sprang von seinem Rücken. Sonnenlied ächzte, als sie ihr Bein über den Sattel hob und sich auf den Boden fallen ließ. »Steif wie Holz«, sagte sie und reckte sich ausgiebig. Die anderen Elben glitten ebenfalls aus den Sätteln und führten ihre Skralls auf eine kleine Lichtung.
    Irgendwoher tauchte ein halbwüchsiger Elbenjunge auf. Er blinzelte schüchtern durch einen Vorhang von weißblonden Haaren, als er sich an Rutaaura vorbeidrückte und auf Sturmtänzer zulief. Der große Elb beugte sich hinab und legte ihm eine Hand auf den Scheitel, während der Junge ihn anstrahlte.
    »Sein Enkel Tiup«, sagte Sonnenlied. »Der kleine Bruder soll in diesem Winter seinen Namen bekommen.«
    »Tiup«, wiederholte Rutaaura lächelnd. »Das klingt fast wie ein Vogel.«
    Sonnenlied lachte und gab ihrem Skrall einen Klaps. Daja zischte friedlich und setzte sich in Bewegung, den Pfad hinunter, bog zielstrebig um eine Ecke und war fort. »Sie weiß, wo der Pferch ist«, erläuterte Sonnenlied, als sie Rutaauras verwunderten Blick sah. Die Dunklen, die sie hierher gebracht hatten, gingen einer nach dem anderen davon, ohne Rutaaura noch viel Aufmerksamkeit zu schenken. Einzig Wolkensucher winkte ihr noch einmal zu, bevor er im Dämmerlicht zwischen den Bäumen verschwand.
    »Komm, auf ins Bad«, sagte Sonnenlied und nahm Rutaauras Arm. Da traten zwei Frauen aus einer der Hütten und kamen auf sie zu. Sie nickten Sonnenlied zu, die beinahe erschreckt Rutaauras Arm losließ und etwas beiseite ging.
    »Willkommen«, sagte die größere der beiden Frauen. Sie hatte ein strenges Gesicht unter einem dichten Schopf schneeweißer, kurz geschnittener Haare, die wie ein Helm um ihren Kopf lagen. »Willkommen«, echote die andere, kleiner und zierlicher als ihre Begleiterin.
    »Wir bringen dich zu deiner Unterkunft«, sagte die erste mit einem Blick auf Sonnenlied. Diese nickte und ging ohne ein Wort des Abschieds davon.
    Rutaaura entfloh ein kleiner Jammerlaut. Da ging ihre einzige Freundin unter all diesen Fremden – und ihr heißes Bad. Die beiden Elbinnen wandten sich ohne ein weiteres Wort um und gingen den Pfad hinab. Die kleine Lichtung hatte sich inzwischen geleert.
    Rutaaura blieb nichts übrig, als den Frauen zu folgen, wenn sie nicht alleine hier zurückbleiben wollte. Sie fühlte ihre Erschöpfung, als sie sich beeilte, zu ihren Führerinnen aufzuschließen. Die Abendluft kroch klamm in ihre Kleider und machte ihre müden Glieder unbeweglich.
    »Wohin bringt ihr mich?«, rief sie. Und, da die Antwort ausblieb, lauter und ein wenig erbost: »Ich habe gefragt, wohin ihr mich bringt!«
    Die streng Aussehende warf einen Blick über ihre Schulter, ohne den Schritt zu verlangsamen. »Zu deiner Unterkunft«, wiederholte sie zugleich tadelnd und geduldig, als spräche sie zu einem bockigen Kind.
    Rutaaura schwieg. Sie war zu müde, um sich zu streiten. Sie würde sich zufrieden geben, wenn sie nur ein Lager und etwas zu essen bekäme – alles Weitere sollte sich am nächsten Tag zeigen.
    Zu ihrer Überraschung brachten die beiden Frauen sie nicht zu einer der Hütten. Sie durchquerten das kleine Tal, bis sie an die Stelle gelangten, wo sie gerade erst das Höhlenlabyrinth verlassen hatte. Ohne sich nach ihr umzusehen, betraten ihre Führerinnen den Gang und verschwanden im Dunkeln. Rutaaura warf einen verzweifelten Blick zurück ins Tal, über dem das letzte Licht verdämmerte. Die ersten Sterne erschienen am Firmament, und die Sichel der Tänzerin zeigte ihre zarte Gestalt. Die Baumwipfel standen schwarz vor dem nachtblauen Himmel.
    Mit einem leisen Fluch folgte Rutaaura den Frauen ins Labyrinth.
    Sie entzündete einen Elbenfunken, weil sie keine Lust verspürte, über Dinge zu stolpern, die sie nicht sehen konnte. Es war finster wie in einem zugebundenen Sack, und völlig ohne Licht nützten auch die schärfsten Elbenaugen nichts.
    Die größere der Frauen sah sie zwar tadelnd an, als das schimmrige Licht aufglomm, aber sie sagte nichts. Unter ihren Füßen knirschten Steinchen und Sand, dann wieder war der Boden so glatt, als wäre er poliert, oder rissig und rau wie Borke. Zweimal überquerten sie ein kleines Rinnsal, das sich tief in den Fels gegraben hatte.
    Sie gingen lange und schweigend, und wie bei ihrer ersten Durchquerung des Höhlensystems verlor Rutaaura innerhalb kürzester Zeit vollkommen die Orientierung. Endlich hielten die Frauen an und deuteten auf einen Höhleneingang.

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