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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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aus.
    »Von euch?«
    Sturmtänzer nickte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Es war eine eigentümliche Bewegung, die sie schon häufiger an den Dunklen beobachtet hatte.
    »Ich weiß nicht, ob ich etwas erwarte«, sagte sie. »Ich kenne eure Gemeinschaft nicht. Und, vergib mir, ihr seid nicht sehr gesprächig. Ich habe mir bisher kein richtiges Bild machen können von dem, was auf mich zukommt.«
    Seine beinahe farblosen Augen ließen sie nicht los. Sie konnnte sich darin gespiegelt sehen, eine vor Erschöpfung hagere, dunkle Vogelscheuche, die sicher nicht mit einem herzlichen Empfang zu rechnen hatte.
    Sturmtänzer schüttelte tadelnd den Kopf, als könnte er ihre Gedanken lesen. »Was willst du wissen?«
    »Wie viele von euch – von uns – leben dort, wo ihr mich hinbringt?«
    Er drehte das Handgelenk hin und her. »Zahlen …«, sagte er. »Beinahe alle, die es noch gibt. Wir sind wenige geworden in den Umläufen seit der Trennung.«
    »Die Trennung?«
    Er lachte kurz auf. »Kleine Schwester, das ist eine lange Geschichte, und im Tal gibt es Berufenere als mich, sie dir zu erzählen.«
    »Im Tal – du meinst, dort, wo wir jetzt hingehen?«
    Er nickte mit leiser Ungeduld und trieb seinen Skrall an. Rutaaura sah ihm nach und schnaubte. »Er gehört nicht zu den Langmütigsten, schätze ich.«
    »Damit könntest du recht haben«, murmelte Sonnenlied. »Ich bin überrascht, dass er angeboten hat, dir Fragen zu beantworten.« Sie dachte nach. »Und dass er es dann wirklich getan hat«, fügte sie hinzu.
    »Seit wann lebst du hier?«, fragte Rutaaura, deren Neugierde durch die magere Unterhaltung mit Sturmtänzer aus dem Schlummer geweckt worden war. Sie warf einen Blick über ihre Schulter, um das Gesicht ihrer Begleiterin zu sehen.
    Sonnenlied hatte die Augen halb geschlossen. »Ich lebe seit sechzig Umläufen im Tal«, sagte sie schließlich. »Ungefähr. Man hört irgendwann auf mitzuzählen.«
    Ein lautes Krächzen ertönte über ihren Köpfen. Rutaaura riss den Kopf empor und suchte nach dem Urheber des Geräusches.
    »Krâwa«, sagte Sonnenlied. Rutaaura sah sie verständnislos an. »Die Zwerge nennen sie ›Hrókr‹.« Sie lächelte verschmitzt und hob eine Hand winkend über den Kopf.
    Wieder das unmelodische Krächzen. Schwingen rauschten, etwas Großes, Dunkles flatterte an Rutaauras Kopf vorbei und landete mit einem hörbaren Plumpsen auf dem Hals des Skralls. Der peitschte mit dem Schwanz und zischte warnend, was den riesigen Vogel, der vor Rutaaura gelandet war, nicht im Mindesten zu berühren schien. Er legte den Kopf mit dem beängstigend aussehenden Schnabel schief und betrachtete sie mit einem klugen, glänzend schwarzen Auge.
    Rutaaura wich unwillkürlich etwas zurück, und der Rabe öffnete ein wenig den Schnabel, als würde er lachen. Er neigte nickend den Kopf, dann sprang er empor und flog wieder davon. »Was war das?«, fragte Rutaaura ihre Begleiterin.
    »Eine von Windgesangs Botinnen. Sie sind die Augen und Ohren der Ältesten.« Sonnenlied streckte sich. »Wahrscheinlich wollte sie sehen, wen wir mitbringen.«
    Inzwischen war der junge Elb namens Wolkensucher herangekommen.
    Rutaaura mochte auch ihn. Er hatte die freundliche und etwas tollpatschige Ausstrahlung eines jungen Hundes, und er war deutlich gesprächiger als seine Gefährten. Sie hatte ihn in den letzten Tagen so lieb gewonnen, als wäre er ihr jüngerer Bruder.
    »Wer ist die Älteste?«, fragte sie ihn.
    Wolkensucher gab seinem Skrall einen kräftigen Klaps, weil er nach Daja schnappte.
    »Windgesang …«, sagte der Elb. »Sie ist … Ja nun. Sie ist die Älteste.« Er kratzte sich ein wenig verlegen am Kopf. »Was willst du wissen?«
    »Ich weiß gar nichts über eure Gemeinschaft«, erwiderte Rutaaura beinahe verzweifelt. »Ihr redet alle so wenig.«
    Wolkensucher lachte auf. »Ich weiß, wie du dich fühlst. Mir ging es auch nicht anders, als ich hierherkam.« Er warf einen Blick zu Sonnenlied, die dösend hinter Rutaaura saß, dann beugte er sich vor und murmelte: »Ein paar von ihnen sind auch ganz schön merkwürdig. Nicht die hier, die sind eigentlich in Ordnung.« Er deutete mit dem Kopf auf die Gruppe der Reiter vor ihnen. »Aber da gibt es zum Beispiel solche wie Nebelherz – der macht mir Gänsehaut, und seine Freunde auch. Du wirst ihn sicher kennenlernen.«
    Rutaaura war zwar nicht klüger als vorher, aber sie dankte ihm trotzdem. Vor ihnen kam die Gruppe der Reiter in Bewegung. Ihr Anführer hatte sich

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