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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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– aber bis jetzt bin ich nur durchs Gestrüpp gekrochen.«
    Trurre streckte sich. »Also, was sollen wir deiner Meinung nach tun?«
    Olkodan legte geistesabwesend eine Hand auf den Stamm des Baumes, unter dem sie saßen. »Vielleicht muss ich auf einer anderen Ebene suchen«, sagte er.
    Trurre sah ihn aufmerksam an. »Was kann ich tun?«, fragte er.
    Olkodan hob die Schultern. »Ich weiß ja noch nicht einmal, was ich tun kann. Aber ich werde etwas versuchen – vielleicht passt du einfach auf, dass uns niemand überrascht.«
    Trurre nickte und stand auf. Er stützte sich auf seinen Stock und blickte den Pfad hinab.
    Olkodan schloss die Augen, seine Hand ruhte noch immer auf dem Baumstamm. Er fühlte erneut, wie der Baum ihn begrüßte und ihn sanft in sein Inneres aufnahm. Zum ersten Mal versuchte er, mit dem Wesen des Baums zu sprechen, und er erhielt eine Antwort. Wortlos zwar, aber dennoch zu verstehen.
    Olkodan riss die Augen auf. »Sie ist hier«, sagte er heiser. »Sie ist diesen Pfad entlanggekommen. Wir müssen weiter hinunter.«
    Trurre fragte nicht, woher diese Erkenntnis kam. Er stapfte wortlos vor Olkodan her und blieb stehen, als der Elb ihn darum bat.
    Diesmal ließ Olkodan sich in die Wurzeln des Baumes sinken und folgte ihren feinen Verästelungen. Wieder fragte er nach Iviidis, und wieder wartete er geduldig, bis aus der Ferne die Antwort zu ihm kam. Die Stimme war leise, und sie sprach langsam, wie eine sehr alte, ein wenig müde gewordene Wesenheit. SIE … IST … IN … MEINER … OBHUT …
    »Ich denke, ich weiß, wo sie ist«, krächzte Olkodan. »Dort, ein Stück weiter den Pfad hinab und etwas seitwärts des Weges muss ein großer alter Baum stehen.« Er ließ sich von Trurre auf die Beine helfen, und beide gingen zu der bezeichneten Stelle.
    Trurre blickte an der Ulme empor und pfiff durch die Zähne. »Und wo ist jetzt deine Frau, was denkst du?«, fragte er. Olkodan schauderte. »Irgendwo da drinnen«, sagte er matt. Trurre sah ihn groß an. »In dem Baum?«, fragte er ungläubig.
    Olkodan nickte und kniete vor dem Baum nieder. Er legte Hände und Stirn an den Stamm und sandte seinen Ruf aus.
    Wieder dauerte es lange, dann antwortete die uralte Stimme: WAS … WILLST … DU … VON … MIR …
    »Ich danke dir, dass du Iviidis beschützt hast«, sagte Olkodan laut. »Aber jetzt sind wir hier. Wir möchten sie mit nach Hause nehmen.«
    Lange Zeit war es still. Olkodan wechselte die Haltung, weil seine Arme einzuschlafen begannen. Dann hörte er endlich die knarrende Stimme des Baumes.
    SIE … WILL … BEI … MIR … SEIN… , erklang es unerbittlich in seinem Inneren.
    Olkodan spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. »Ich glaube, du irrst dich«, sagte er. »Sie ist zu dir geflohen, als sie keine andere Wahl hatte. Du hast sie gerettet. Aber nun ist die Gefahr vorüber. Du kannst sie gehen lassen. Sie möchte zu ihrer Familie.« Wieder wartete er. Die Schatten wurden länger, der Abend sank herab.
    Schließlich hörte er: SIE … IST … EMBUL …
    Erneut eine lange Pause.
    SIE … IST … UNSERE … SCHWESTER … WIR … HABEN … SIE … ENTBEHRT …
    Olkodan löste sich von dem Baum und berichtete Trurre. Der Zwerg zuckte mit den Achseln. »Ich habe keine Erfahrung mit Bäumen und ihren Gemütszuständen«, sagte er. »Ich finde, wir sollten den alten Elben holen.«
    Olkodan lehnte sich gegen den Baum und legte den Kopf auf die Knie. »Ich muss ein wenig ausruhen«, sagte er. »Mit Bäumen zu reden ist unglaublich anstrengend.«
    Der Zwerg sah sich um. »Hör mal, ich glaube nicht, dass hier außer uns noch irgendjemand ist. Ich gehe und hole Alvydas.« Olkodan nickte, ohne aufzublicken. Er hörte, wie Trurres Schritte sich entfernten.
    Und so hockte er auch noch da, als Trurre zurückkam. Alvydas folgte ihm auf den Fersen und kniete gleich neben Olkodan nieder. Seine federleichte Hand legte sich kühl auf den Nacken des jungen Elben. Olkodan seufzte und hob den Kopf. Alvydas musterte ihn eindringlich und lächelte dann. »Gut gemacht, Baumsinger«, sagte er.
    Olkodan konnte nur mit einem matten Senken seines Kopfes antworten. Alvydas griff in seine Jackentasche und holte ein paar trockene Blätter heraus, die er zwischen den Fingern verrieb und Olkodan reichte. »Hier, nimm die in den Mund. Das vertreibt die Erschöpfung. Du hast noch etwas zu tun.«
    Olkodan legte die Blattkrümel auf seine Zunge und schloss wieder die Augen. Das zerriebene Grün schmeckte

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