Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
so bitter, dass es ihm die Muskeln zusammenzog und der Speichel floss. Aber Alvydas hatte recht: es vertrieb die dumpfe Mattigkeit aus Kopf und Gliedern.
    Er spuckte den angesammelten Speichel aus und stand auf. »Bah«, sagte er angewidert.
    Dann blickte er Alvydas an, der mit verschränkten Armen vor ihm stand und ihn musterte. Die opalfarbenen Augen zeigten einen Ausdruck, den er nicht recht zu deuten wusste.
    »Also, sie ist hier drin«, sagte Olkodan und klopfte sanft gegen den Baumstamm. »Der Baum will sie nicht freigeben. Hast du einen Rat?«
    Alvydas neigte leicht den Kopf. »Hast du schon mit Iviidis gesprochen?«
    Olkodan sah ihn verblüfft an. »Ich – nein. Nur mit diesem sturen Holzkopf hier.«
    Der alte Elb verkniff sich ein Lachen. »Sie ist eine sehr alte Ulme«, sagte er. »Sie hat einen eigenen Kopf, vor allem, wenn einer zu ihr redet, der nicht Embul ist.« Sein Gesicht wurde ernst. »Und sie ist sehr, sehr lange ohne Elbenschwester gewesen. Ich verstehe, dass sie Iviidis nicht so schnell wieder verlieren will. Die Bäume sind sehr einsam ohne ihre Elben.« Seine Finger strichen zart über die Zweige der jungen Buche neben ihm, die sich seinem Streicheln entgegenzuneigen schien wie ein kleines Kätzchen.
    Olkodan sah, dass Trurre aufmerksam lauschte. Sein Gesicht war so ernst wie das des alten Elben. »Früher hatten alle Bäume einen von euch zum Gefährten?«, fragte er.
    Alvydas nickte und breitete dann resigniert die Hände aus. »Unsere Kinder haben sich entschieden, über die Welt zu wandeln und die Bäume zu verlassen. Es war immer schwer, wenn ein Baum alt wurde und starb. Ich habe es oft, oft miterlebt, und jedes Mal stirbt ein Stück von mir mit meinem Baumbruder.« Er wandte sich wieder Olkodan zu. »Geh, wecke deine Frau«, wies er ihn an. »Sie ist Embul, sie muss den Baum aus eigener Kraft dazu bringen, sie gehen zu lassen. Du bist Askur, wie ich – du kannst sie nur dabei unterstützen.«
    Olkodan atmete tief ein. »Ich hatte es befürchtet«, sagte er.
    Trurre klopfte ihm auf die Schulter. »Du wirst das schon schaffen. Ich bin jedenfalls sehr beeindruckt, mein Freund.«
    Olkodan legte wieder seinen Kopf und die Hände gegen die raue Rinde. Diesmal bemühte er sich nicht, den Baum selbst zu rufen, sondern sandte seinen Geist aus, um Iviidis zu finden.
    Schließlich stieß er auf das zarte Glühen eines schlummernden Bewusstseins, tief im Herzen des Baumes. Olkodan rief es sanft an, tastete mit vorsichtigen Fingern über das Wesen, das da so geborgen ruhte. Es regte sich, das Glimmen wurde heller, das schlafende Bewusstsein erwachte.
    Iviidis , hauchte Olkodan.
    Askur, Geliebter , erwiderte sie schläfrig. Sie versuchte, sich zu strecken, und wurde plötzlich von Panik ergriffen. Der Baum umschloss sie fest und eng, sie konnte nicht einmal einen Finger bewegen. Ihre lautlosen Hilfeschreie explodierten in Olkodans Kopf. Er prallte zurück und presste die Hände auf die Ohren, während Tränen aus seinen Augen sprangen.
    Alvydas war an seiner Seite und hielt ihn. Er strich leise über Olkodans Stirn, und der Schmerz löste sich auf.
    Ohne zu zögern, kehrte Olkodan in seine vorherige Haltung zurück und wandte sich erneut Iviidis’ Bewusstsein zu. »Ruhig«, sagte er laut. »Liebste, wir sind hier. Du bist nicht in Gefahr. Beruhige dich nur.«
    Sie griff nach ihm wie eine Ertrinkende. Olkodan hielt sie fest und beruhigte ihr aufgewühltes Gemüt. Wo bin ich hier? , fragte sie schließlich.
    Olkodan erklärte es ihr und erntete ungläubiges Staunen. Dann spürte er verdutzt, wie Iviidis zu lachen begann. Ich scheine in letzter Zeit ständig in irgendeiner Klemme zu stecken. Du solltest besser auf mich aufpassen, Geliebter.
    Olkodan lächelte.
    Ich erinnere mich nur, dass ich in eine Höhlung im Baum gekrochen bin, weil ich mich verstecken wollte , sagte Iviidis. Wie komme ich hier wieder hinaus?
    Olkodan erklärte ihr, wie er das erste Mal mit der alten Ulme Kontakt aufgenommen hatte.
    Oh , sagte Iviidis. Das ist wunderbar, aber ob ich das auch schaffe?
    Er spürte, wie sie tastend ihre geistigen Fühler ausstreckte. Er probierte, ob er sie ein wenig beeinflussen oder lenken konnte, und stellte fest, dass das ging. Die feinen Finger seines Bewusstseins verflochten sich mit ihren, und gemeinsam gelang es ihnen, das innerste Wesen der uralten Ulme zu berühren. Der Baum wandte ihnen – langsam, langsam – seine Aufmerksamkeit zu, und Olkodan zog sich hastig zurück, um das

Weitere Kostenlose Bücher