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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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ließ sich neben Olkodan auf die Bank fallen.
    »Was bereitet dir Kummer, mein Freund?«, fragte der Zwerg. Der Elb legte achtsam das Stück Lindenholz beiseite und blickte den kleinen Mann an. In seinem dunkelblonden Bart hingen ein paar trockene Grashalme, und das brachte Olkodan zum Lächeln. Erleichtert lächelte der Zwerg zurück, und die Fältchen um seine braunen Augen wurden tiefer. »Du fragst dich, was ich eigentlich hier will, richtig?«
    Olkodan seufzte. »Ich kann dich gut leiden, Trurre Silberzunge, aber ich kenne dich nicht. Du bist ein Zwerg, und du treibst dich ohne Genehmigung auf Elbenland herum. Weiß ich denn, was du in deinem Herzen verbirgst?«
    Trurre nickte langsam. Er zog seine Pfeife hervor, steckte sie unangezündet zwischen die Zähne und saugte ein paarmal zischend daran. Dann legte er sie neben sich auf die Bank und beugte sich vor.
    »Ich will es dir sagen«, sagte er kurzentschlossen. »Wahrscheinlich reißt sie mir den Kopf deswegen ab, aber im Moment ist sie weit weg, und ich bin hier.« Er verstummte, wiegte den Kopf und trommelte mit seinen kurzen Fingern gegen das Holz der Bank. Olkodan sah ihn fragend an.
    »Hab Geduld mit mir«, bat der Zwerg. »Ich muss eine lange Geschichte in eine kurze Rede stopfen, und mein Magen knurrt so laut, dass ich mir kaum beim Denken zuhören kann. Außerdem will ich dich nicht zu lange aufhalten, denn du hattest sicher vor, gleich ein feines Frühstück für zwei hungrige Mägen zu bereiten …« Er machte eine bedeutungsvolle Pause.
    Der Elb musste erneut lächeln. »Du bist mein geehrter Gast, Trurre Silberzunge, und ich behandele dich wenig gastfreundlich, verzeih. Komm, stopfe deine Geschichte in eine Rede, so lang oder kurz es dir beliebt – ich mag lange Geschichten, vor allem, wenn ein meisterhafter Erzähler wie du sie mir serviert. Ich kümmere mich derweil um unser leibliches Wohl.«
    Der Zwerg sah ihm nach, wie er ins Haus ging. Der junge Elb war ein Bursche nach seinem Herzen, obwohl Trurre normalerweise ebenso wenig für die »Goldeselchen« übrig hatte wie seine beiden Gefährten. Er steckte mit einem geistesabwesenden Fingerschnippen seine Pfeife in Brand. Blaugraue Rauchwölkchen stiegen in die sommerlich warme Luft und rochen nach Herbst und malzigem Bier. Das war Zwergenkraut, es schmeckte nach den Bergen seiner Kindheit und weckte ein Gefühl, das Trurre nur selten überfiel – dann aber mit aller Heftigkeit.
    Er reiste schon lange von seinem Volk getrennt durch die Welt. Die Gefährten, denen nun seine Treue und sein loyaler Schwur gehörten, waren ebenso wie er Missgeburten in den Augen ihres Volkes.
    Trurre seufzte ein wenig. Es war an der Zeit, wieder einmal die Halle seines Vaters aufzusuchen. Er war nicht offiziell verbannt worden, aber seine Sippe sah ihn nach jedem seiner seltenen und kurzen Besuche nicht ungern wieder gehen. Zwerge hielten viel auf die Tradition, und einer wie er passte nicht in ihr geordnetes Bild der zwergischen Welt. Für einen Besuch in der Kronhalle würde er erst einmal nach seiner Axt suchen müssen, die gut eingewickelt irgendwo tief unten in einem seiner Reisesäcke ruhte.
    Geschirr klapperte verheißungsvoll. Olkodan stellte ein hoch beladenes Tablett auf den Tisch und begann, allerlei Leckereien vor Trurre aufzubauen. Scharf riechender grüner Tee schickte Dampfschwaden empor, in einer Schale schwammen goldgelb gebratene Getreideschnitten in brauner Butter, und auf einem grünen Blatt lag ein Kanten Käse, der vom Abend übrig geblieben war, neben braunem, krustigem Brot. Die dunkle Süße von Honig in einem kleinen Topf lockte ebenso das Wasser in Trurres Mund wie eine große Schüssel mit geschnittenem Gemüse, das noch mit morgendlichem Tau überperlt zu sein schien.
    »Ah«, machte der Zwerg behaglich und griff nach dem Messer in seinem Gürtel. »Das ist wirklich beachtlich, mein Elbenfreund – auch wenn ich ein wenig die kräftigeren Genüsse wie Speck, gepökelten Schinken, Braten und Räucherwurst vermisse – aber ihr Elben seid solchen Delikatessen ja grundsätzlich abgeneigt.«
    Olkodan schüttelte den Kopf. »So etwas würde ich wirklich nicht herunterbringen – aber ich weiß, dass Menschen und Zwerge anders darüber denken. Zum Trost für dich habe ich das hier.« Er stellte einen irdenen Krug auf den Tisch und löste den versiegelten Korken mit einem Messer. Dann schob er Trurre den Krug hinüber und bedeutete ihm, den Inhalt zu probieren. Trurre hängte seine Nase über

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