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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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den Krug, schnüffelte und hob erstaunt den Kopf. »So etwas hätte ich wahrlich hier im Elbenland nicht erwartet«, sagte er. Ein starker Geruch nach reifem Obst erfüllte die Luft.
    Olkodan lächelte breit und reichte dem Zwerg einen kleinen Becher. Trurre nahm einen winzigen Schluck zur Probe, den er lange im Mund umherwälzte, ehe er ihn herunterschluckte. Die Sonne ging in seinem Gesicht auf. Er schenkte sich eine weitaus großzügiger bemessene Portion der klaren, ein wenig öligen Flüssigkeit ein und nickte dem Elben anerkennend zu. »Das ist ein Tropfen, der des Zwergenkönigs würdig wäre – der lässt Barthaare wachsen. Wer von euch vornehmen bartlosen Burschen macht sich mit diesem Handwerk die Elbenfinger schmutzig?«
    Olkodan lachte und schenkte sich selbst Tee ein. »Auch wenn wir alle keine Haare im Gesicht tragen, sind wir doch nicht alles Goldene, in Seide und Spitzen geboren und mit Morgentau aufgezogen. Diesen speziellen Obstbrand stellt mein Nachbar her, er braut auch ein sehr anständiges dunkles Bier.«
    »Das glaube ich«, erwiderte Trurre mit vollem Mund. Eine Zeit lang schwiegen beide, der Zwerg, weil er mit Kauen und Schlucken beschäftigt war, und Olkodan, weil er seinem Gast, wenn auch zurückhaltender, beim Essen Gesellschaft leistete.
    Endlich schob Trurre sein Essbrett beiseite, seufzte zufrieden, lockerte seinen strammsitzenden Gürtel und legte die Füße auf einen Schemel. Er fingerte seine Pfeife hervor, klopfte die Asche heraus und stopfte den altersdunklen Kopf neu mit duftendem Kraut.
    »Möchtest du ein Pfeifchen probieren?«, bot er seinem Gastgeber an.
    Olkodan schüttelte fast entsetzt den Kopf. »Damit könntest du einen Elben wahrscheinlich umbringen. Trotzdem danke.«
    »Ihr wisst wahrlich nicht, was gut ist«, brummte Trurre und benutzte diesmal einen sorgsam in immerfeuchtes Moos eingewickelten Glühstein zum Entzünden des Tabaks. Er schmauchte geruhsam einige Züge, blies einen Rauchring nach dem anderen in den Himmel und nippte zwischendurch an dem erneut aufgefüllten Becher mit Obstbrand.
    Trurre nahm die Pfeife aus dem Mund und drückte mit dem Daumen den glimmenden Tabak fest. »Ich habe dir eine Geschichte versprochen«, begann er. »Du erinnerst dich an unsere erste Begegnung?« Olkodan schmunzelte und erwiderte nichts auf diese rhetorische Frage. »Du hast dem Offizier gesagt ›Der Zwerg wollte zu mir.‹« Trurre verengte seine Augen zu vergnügt funkelnden, schelmischen Schlitzen. »Du hast es nicht gewusst, aber das war die reine Wahrheit. Trurre Silberzunge war auf dem Weg zu dir.« 
    Der Elb sah ihn verdutzt an. Trurre blickte versonnen den Rauchwölkchen aus seiner Pfeife nach. Er ließ sich Zeit mit seiner Geschichte.
    »Es sind drei Gefährten«, hob er nach einer Weile des Sinnens wieder an. »Sie sind ohne Clan und ohne Volk. Sie reisen durch die Welt, mal gemeinsam, mal auf getrennten Wegen, doch immer im Geiste und im Schicksal vereint.« Wieder machte er eine Pause. Olkodan blickte ihn unverwandt, aber ohne ein Zeichen von Ungeduld an.
    »Eine von ihnen trägt schwer an ihrem Los, von ihrem Volk ausgestoßen zu sein. Sie sucht nach ihresgleichen, und diese ruhelose Suche führt sie in die entlegensten Winkel der Welt. Doch immer, wenn es Frühling wird in der Welt außerhalb und die neue Sichel des Mondes sich über dem Wandernden Hain zeigt, zieht es sie an den Ort ihrer Geburt zurück, damit sie diejenige trifft, die sie ihre Schwester nennt.«
    Der Zwerg trank einen Schluck und fuhr in nüchternem Tonfall fort: »Kurz und gut, die Schwester deiner Frau hat mich gebeten, ein Auge auf dich und Iviidis zu werfen. Deine Frau hält sich im Sommerpalast auf – dort kann ich mich beim besten Willen nicht blicken lassen –, und ich fand es überflüssig und ärgerlich, hier irgendwo in einem Gebüsch zu hocken und dich insgeheim zu beobachten, wenn ich das Gleiche genauso gut nett, warm und gemütlich an deinem wohlgefüllten Tisch tun kann.«
    Olkodan schüttelte sich wie eine Katze, die von einem Wasserstrahl getroffen wird. »Was?«, stammelte er.
    Trurre lachte rollend. »Dass ausgerechnet du mir gestern so überaus freundlich aus der Klemme geholfen hast, war wie ein Wink mit Orrins Hammer. Ich passe gerne ein bisschen auf dich und deine Frau auf – auch wenn ich nicht genau weiß, warum ich das eigentlich tun soll. Aber wenn Ruta es für nötig hält, ist mir das Grund genug.«
    »Ruta – das ist Iviidis’ Schwester?«, fragte Olkodan,

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