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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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nächste Morgen erblickte den Zwerg in sichtlich besserer Stimmung. Er stand im frühen Sonnenschein neben der Pumpe über den Zuber gebeugt und seifte sich ab. Das ungeflochtene Haar hing nass über seine breiten Schultern und einen vor Nässe glänzenden Rücken, unter dessen gebräunter Haut sich kräftige Muskeln abzeichneten. Unter seiner breiten Brust wölbte sich ein kugeliger Bauch – ein körperliches Merkmal, das den von Natur aus überschlanken Elben völlig fremd war. Olkodan bestaunte die kräftigen langen Arme des kleinen Mannes und den mächtigen Brustkasten, beides von einem dichten Pelz bedeckt. Elben kannten keine Körperbehaarung – auch deshalb war ein halb nackter Zwerg für Elbenaugen ein seltener und seltsamer Anblick. 
    Trurre schäumte gründlich seinen dunkelblonden Bart ein und brummte dabei melodisch vor sich hin. Ab und zu sang er sogar mit tiefer Stimme ein paar Worte in der gutturalen Sprache der Zwerge.
    Als er den Elben entdeckte, der ihm von der Tür aus zusah, winkte er gut gelaunt und verspritzte dabei Wasser und Seifenschaum. »Guten Morgen«, rief er und spuckte etwas Schaum aus. »Ich habe Hunger – kannst du mich noch zum Frühstück einladen, oder habe ich deine Vorratskammern inzwischen komplett geleert?« Er klopfte fröhlich auf seinen runden Bauch.
    Olkodan schmunzelte. »Ein kleines Frühstück bekomme ich wohl noch zusammengekratzt, wenn ich durch alle Winkel kehre«, antwortete er.
    Nach einem üppigen und ausgiebigen Frühstück, das sich beinahe bis zum Mittag hinzog, war Trurre zum Aufbruch bereit. Er stand neben seinem Pony und wartete auf Olkodan, der noch einmal kurz ins Haus gegangen war. Als er zurückkam, trug er einen offensichtlich schweren Korb in der Hand, der sorgsam mit einem Tuch abgedeckt war.
    »Hier, Trurre Silberzunge mit dem großen Appetit. Ich habe dir ein bisschen Wegzehrung eingepackt. Wie ich dich kenne, reicht sie nicht bis heute Abend – aber vielleicht kannst du den gröbsten Hunger damit stillen«, neckte er.
    Trurre nahm sprachlos den Korb entgegen. Er schnallte ihn am Sattel des Ponys fest und wischte sich hastig über die Augen. Dann stieg er auf, drückte Olkodans Hand und sagte nur: »Bis bald, mein Freund. Ich bin nicht weit fort, und wenn du mich brauchst, werde ich es wissen und zu dir eilen.«
    Olkodan sah ihm nach, bis er hinter der Wegbiegung verschwunden war. Dann schüttelte er den Kopf, murmelte »Gute Reise, Trurre Silberzunge« und ging ins Haus zurück.

9
    R utaaura stand in der Nähe des Südtors, wo sie Tamayout verlassen hatte, und lauschte den Geräuschen, die sie umgaben. Sie hörte raue Stimmen und Gelächter aus einer Schänke ein paar Gassen weiter. In einem der Gebäude in der Nähe keifte eine schrille Frauenstimme, immer wieder unterbrochen von dem tieferen Schimpfen eines Mannes. Etwas schepperte und zerbrach, und ein Hund heulte. Schritte holperten über den unebenen Boden, ein Betrunkener, der sich von Mauer zu Mauer schlingernd den Weg nach Hause ertastete.
    Rutaaura hielt die Augen geschlossen und weitete ihre Aufmerksamkeit aus. Irgendwo hinter der Stadtmauer erklang gedämpft das Rauschen des Meeres. Wind strich über ihr Gesicht und brachte Salz und Sand und den trockenen, ledrigen Reptiliengeruch der Skralls.
    Der Hafen lag unweit von hier. Ein Magus hielt ständig Wache und sorgte dafür, dass das Wasser Wasser blieb, solange Schiffe vor Anker lagen. Rutaaura hatte einmal miterlebt, wie das Hafenbecken sich mit Sand füllte, als der diensthabende Hexer einen Ohnmachtsanfall erlitt. Die Flüche der Seeleute, deren Schiffe plötzlich im Sand feststeckten, hatten ihn schnell wieder auf die Beine gebracht.
    Sie öffnete ihre Augen. Das Mondviertel war ruhig, sie vernahm nirgendwo in der Umgebung die Geräusche, die eine patrouillierende Wache verursacht hätte. Die Nacht war dunkel, und der größte Teil der Stadt schien zu schlafen. Eine gute Zeit, um Rookhan nach langer Zeit wieder einmal aufzusuchen. Nachts war er immer noch der verschlagene kleine Gauner, als den sie ihn vor zwanzig oder mehr Umläufen kennengelernt hatte. Damals hatte sie für den Stamm, der sie aufgenommen hatte, weißes Harz und Skrallblut verkauft, und Rookhan hatte sie in einem noch erträglichen Rahmen übers Ohr gehauen. Rutaaura lächelte, und ihre Zähne blitzten in der Dunkelheit.
    Den Weg durchs Mondviertel fanden ihre Füße von alleine. Mehrmals kreuzten Passanten ihren Weg, aber sie nützte die Dunkelheit wie einen

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