Elchmus (German Edition)
und Urenkel keinen Bock auf Bring- und Abholdienste für die megalange Fahrt haben. Die Rentner in Fukushima sind noch reicher und werden noch älter, werden aber derzeit für andere wichtige Arbeiten gebraucht und haben somit auch im Alter keine Zeit für Urlaub.
Wenn die Hochzeit vorbei ist, werden sie Deutschland eine Stipp-Visite abstatten. Die Wohnungen auflösen (Elkes Koffer wird ohne Probleme von Ralf abgeholt) und alles bei eBay verhökern, was noch einen Cent wert ist. Alles. Und wie zivilisierte Steinzeitmenschen nach St. Ives auswandern.
Wenn du einen Sprachkurs in London machst und kein gültiges Arbeitsvisum für das Vereinigte Königreich hast, kannst du auf einmal doch legal 20 Stunden in der Woche arbeiten. Echt, das ist so. Holger will dieses Mal alles richtig machen und spendiert einen Kurs von seinen mies erworbenen Kröten. Die werden dadurch heiliggesprochen. London ist teuer: wer den Sprachkurs bezahlt, muss meistens noch arbeiten. Und wer arbeitet, wird bekanntlich müde und hat keinen Spaß. Und Spaß hätte man zu Hause nicht haben können, aber in London.
London ist Spaß. Und Sprachkurs überhaupt nicht. Sie sitzen daher auch heute alleine mit dem Lehrer in einem kleinen Zimmer ohne Fenster. Tottenham Court Road. Das Zimmer ohne Fenster hat keine Klimaanlage, aber den obligatorischen englischen Teppich, 2 Tische und keine Musical Chairs. Obwohl man die Reise nach Jerusalem hier aber spielen will und mit Rock sogar muss. Die Plastikstühle kleben schlimmer an den Oberschenkeln als das Polyester im Hotel bett von Land’s End. Immerhin sind fast alle Stühle leer, so dass man sich zwischendurch mal umsetzen kann.
Das Zimmer dient dem Lehrer wirklich als Unterrichtsraum und wird nur von ihm täglich besucht. Die Studenten lernen im täglichen Leben eh mehr Englisch als in der Schule und brauchen dieses Albtraum-Hinterzimmer daher nicht.
London verspricht mehr. Daher kriegt der Lehrer auch kein neues Zimmer. An den Wänden hängt nichts und er wird auch nix aufhängen hier. Die Stühle wackeln und stinken auch ohne Kissen vom bloßen Rumstehen. Die Tische sind aus Sperrholz. Aber niemand hat stolz eingeritzt „Ich war hier“. „Ralf, I love you“, steht aber seit gestern auf den ebenfalls trostlosen Unisex-Toiletten. Die rote Folie, die er bei Arbeitsbeginn vor fast einem Jahr gekauft hatte, liegt noch immer in der Verpackung rum. Nimmt ja keinen Platz weg auf dem Schrank, der gar keine Lexika oder andere schlaue Bücher zu Gast hat. Der Staub sammelt sich auch hier lieber munter im Teppich.
Er m uss hier selber immer schnell raus und wird Elke auch nicht für die Ritzerei auf der Toilette bestrafen. Sowas machen nur Frauen. Folie sauber aufkleben dauert einfach zu lange. Und den einzigen langen Tag nach den Semesterferien übersteht er hier immer irgendwie. Starbucks unten hat echt gutes Ketten-Ambiente.
Aber diese drei Deutsche sind anders. Lernwillig, pünktlich und kommen brav angetrottet. Auch noch an Tag zwei und Tag drei. Sie verstehen mittlerweile schon ganz gut. Nur mit dem Sprechen hapert es noch hier und da. Aber sein Unterricht hilft. Kann er doch noch. Nach weiteren drei Tagen können sie schon alle drei ganz gut mitreden. Einzelunterricht gibt es nur in London preiswert. In St. Ives kann man den nicht bezahlen.
So muss der Lehrer dieses Mal ohne Starbucks leiden. Und hoffen, dass die nächsten sich wieder nur einschreiben, pro-forma. Falls doch, wird er den Krieg vielleicht das nächste Mal erklären, äh erwähnen. Don’t mention the war, hört jeder Deutsche hier mindestens einmal zu oft.
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............ Hochzeiten machen Holger nervös. Ganz London, Südlondon und Nordlondon freut sich drauf. Keiner wohnt heute auf der falschen Seite der Themse. Die Klamotten, die er tragen soll, kommen aus dem Charity Shop (Laden einer Wohltätigkeitsorganisation). Der Anzug sieht aber nicht danach aus. Kommt ja auch aus dem teuren Chelsea. Und dort sehen selbst die Secondhand-Geschäfte aus wie Edel-Boutiquen der Spitzenklasse.
Der Stufe 2 Londoner Einheitshaarschnitt steht ihm doch. Er sieht den alten BVB-Proll mit strähnigem Haar kaum noch vor sich. Aber er riecht noch immer das Geld im Aschenbecher und sieht noch immer Elke über die Cheapside humpeln. Was wohl aus dem Auto geworden ist? Der Anzug hier macht echt ´nen ganzen Kerl aus ihm. Kleider machen echt Leute. Aber hoffentlich stammen die neuen Schuhe nicht von einem Toten (Kinky Friedman hat es in seine nicht sehr
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