Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
Brot, das sie bereits einige Zeit in der Hand hielt, ohne davon abgebissen zu haben, in ihre Schale zurück und versuchte, den riesigen Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken. Mael stand jäh auf. „Wir ziehen uns jetzt in die Zelte zurück.“ Er streckte ihr die Hand entgegen, die sie nur zögerlich ergriff. Finlay lächelte ihr zuversichtlich zu. Von seiner scheinbaren Zuversicht ging jedoch nicht die Spur auf sie über. Sie warf noch einen letzten Blick zu Shona hinüber, deren Ohren sich die ganze Zeit nervös hin und her bewegten. Dann ließ sie sich von Maél widerstrebend ins Zelt schieben.
Sie lagen unter dem Schlaffell und starrten auf die orangerot erleuchtete Decke des Zeltes. Elea sah immer wieder zu Maél hinüber. Er machte einen abwesenden Eindruck. Sie war sich jedoch sicher, dass er seine spitzen Ohren nach draußen gerichtet hatte. Dies war auch der Grund, warum sie es nicht wagte, sich zu bewegen, geschweige denn, etwas zu sagen. Es herrschte eine Totenstille, in der Elea sogar glaubte, ihr eigenes Herz schlagen zu hören. Sie sah angespannt zu, wie sich beim Ausatmen immer wieder kleine Dampfwolken über ihrem Gesicht bildeten. Plötzlich spürte sie, wie Maél unter dem Fell nach ihrer Hand griff und sie drückte. Er drehte sich zu ihr um und nahm ihr Gesicht behutsam in seine Hände. „Es geht los, Elea. Ich höre sie. Du wirst keinen Fuß aus dem Zelt setzen! Hast du verstanden? Ein Schwert und dein Bogen mit dem Köcher stehen hinter dir – nur für alle Fälle, falls du unbliebsamen Besuch bekommst. Aber wir werden schon dafür sorgen, dass es nicht soweit kommen wird.“ Daraufhin küsste er sie zärtlich auf ihre vor Angst bebenden Lippen. Ein Atemzug später war er schon auf den Knien, schnappte sich seine Felltunika und verließ das Zelt.
Draußen angekommen atmete Maél als erstes die eisige Luft tief durch die Nase ein, die auf seine Lungen wie Messerstiche stieß. Wittern konnte er sie kaum, da es praktisch windstill war. Er gab den beiden Kriegern, die die erste Wache hielten, ein Zeichen. Sie schossen daraufhin sofort in die Höhe und schauten suchend in die Finsternis. Maél unterrichtete die anderen in den Zelten. In kürzester Zeit waren alle draußen um das noch brennende Lagerfeuer versammelt.
Maél hatte zwei Gruppen von Wölfen ausmachen können. Die eine näherte sich, wie er bereits befürchtet hatte, von dem bewaldeten Gelände heran, an dessen Rand sich die Pferde befanden. Die zweite kam frontal auf ihr Lager zu. Er konnte das Getrappel vieler Tiere hören. Während er die steile Felswand hinter den Zelten mit seinem Bogen und drei Köchern voller Pfeile hinaufkletterte, um von dort freie Sicht auf sie zu haben, teilten sich die Krieger und Finlay in zwei Vierergruppen auf. Finlay postierte sich mit drei Kriegern um die Pferde herum, wobei zwei Krieger auch noch zusätzlich zu ihrem Schwert ihren Bogen dabei hatten. Ebenso verhielt es sich mit Jadoras Gruppe, deren Aufgabe es war, das Lager zu sichern. Maél stand halb an die Felswand gelehnt und ließ seinen Blick ständig zwischen dem zum Teil felsigen Gelände direkt vor ihm und dem kahlen Wäldchen mit den Pferden hin und her schweifen. Mit einem Schlag versteifte er sich. Er witterte sie, bevor er sie sehen konnte. Wenn Finlay und die Krieger angestrengt und aufmerksam genug in die Finsternis blicken würden, könnten sie vielleicht ihre in der Dunkelheit silbrig-weiß leuchtenden Augen erkennen. Mehr jedoch nicht. Plötzlich nahm Maél mehrere Schatten wahr, direkt vor ihm und aus dem Augenwinkel, hinter den Pferden. Es waren viele, so viele, dass er sie nicht einmal zählen konnte. Diese große Zahl ließ in ihm den Verdacht aufkommen, dass es zwei Rudel seine mussten, die sich zusammengeschlossen hatten, um den Angriff auf die Menschen gemeinsam durchzuführen und sich anschließend die Beute zu teilen. Die beiden Rudel bewegten sich völlig synchron. Sie schlichen sich langsam an und mit einem Mal begannen sie, wieder ein Stück zu rennen in vollkommener, zeitgleicher Abstimmung. Die Pferde scheuten. Maél beschlich die Befürchtung, dass sie viel zu wenige Männer waren, um diese Bestien zu bezwingen. Wenn ich nur so zielsicher und schnell schießen könnte wie Elea, dann könnte ich zumindest einen der beiden Rudel halbwegs in Schach halten. Er konzentrierte sich auf das Rudel vor ihm. Er suchte die vorderste Reihe von ihnen nach dem Leitwolf ab. Er wusste, dass die Leitwölfe der Akrachón-Wölfe
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