Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
eiskalt und schritt weiter Richtung Lager, ohne sich zu ihr umzudrehen. Elea war fassungslos. Sie sah Kellen auf dem Boden liegen: Entweder war er bereits tot oder er würde verbluten. Die Männer folgten Maél auf dem Fuße. Jadora zögerte jedoch. Dies bemerkte der maskierte Mann. Er blieb stehen und drehte sich jetzt doch zu den beiden um, bedrohlich die Hand auf dem Schaft seines Schwertes liegend. „Jadora, ich warne dich! Wenn du nicht augenblicklich uns mit ihr folgst, wirst du meine Klinge genauso zu spüren bekommen wie dieser Jüngling!“, drohte ihm der maskierte Mann in knurrendem Ton. Jadora zog Elea schließlich von dem Unglücksort weg und schloss sich den Übrigen an. Von ihrem Kummer über den Tod ihres Bruders und besten Freundes erfüllt, ging sie an Jadoras Seite wie in Trance ohne jegliche Gegenwehr. Am Lager angekommen setzte Jadora sie auf ihren Umhang und machte sich ebenfalls daran, sein Pferd zu satteln und seine Tasche zu packen. Maél war inzwischen schon mit seinem Gepäck fertig. Er kam auf Elea zu, hob sie hoch, um ihren Umhang zusammenzurollen und befestigte ihn an dem Rucksack, den er wieder an seinen Sattel band. Apathisch verfolgte die junge Frau die routinierten Handgriffe der Männer, ohne sie jedoch zu realisieren. Sie nahm nichts als diesen tiefen Schmerz wahr, von dem sie glaubte, er würde sie innerlich zerreißen. Ihre Tränen waren inzwischen versiegt. Sie bekam nicht einmal das Streitgespräch zwischen Maél und Jadora mit. Jadora wollte, dass Elea wieder bei ihm mit ritt. Der maskierten Mann bestand aber darauf, sie diesmal bei sich aufsitzen zu lassen. „Hast du sie nicht schon genug gequält?! Musst du ihr jetzt auch noch deine unerträgliche Nähe aufzwingen?!“, schnauzte Jadora ihn an. Maél ging nicht darauf ein. Er bestieg Arok und gab dem Hauptmann das Zeichen, ihm das Mädchen zu bringen. Dieser gehorchte fluchend. Elea ließ die Prozedur widerstandslos über sich ergehen. Maél umschlang sie mit einem Arm und drückte sie fest an sich. Mit der freien Hand hielt er die Zügel. Nachdem alle Männer aufgesessen waren, trat er seinem Pferd behutsam mit den Stiefeln in die Seite, sodass es lostrabte. Elea saß nun schon zum zweiten Mal auf dem Rücken eines Pferdes, ohne diesen für sie so unangenehmen Umstand zur Kenntnis zu nehmen. Sie schloss die Augen und wollte alles um sich herum vergessen. Es dauerte auch nicht lange, bis ihr Wunsch in Erfüllung ging. Von ihrer Trauer und ihrem Schmerz übermannt schlief sie an der Brust des Mannes ein, den sie so abgrundtief hasste.
Kapitel 2
Sie waren schon eine ganze Weile in zügigem Tempo geritten und die Tagesmitte war unlängst überschritten, als Elea erwachte. Sie spürte mit geschlossenen Augen, wie ungewöhnlich kalte Luft ihr unablässig ins Gesicht wehte, während ihr Körper – merkwürdigerweise - von einer wohligen Wärme eingehüllt war. Sie schlug die Augen auf und sogleich gefror ihr Blut zu Eis. Denn sie sah auf eine Maske. Sie versteifte sich sofort, was der Mann offensichtlich spürte, da er sie noch fester an sich drückte. Ihren ersten Reflex, laut zu schreien oder sich aus seinem Griff zu befreien, unterdrückte sie rasch. Sofort wurde sie wieder von dieser für sie so ungewohnten Empfindung erfasst: tödlichen Hass. Sie hatte nach wie vor die Absicht, diesen Mann zu töten, koste es, was es wolle. Dies würde ihr aber sicherlich nur dann gelingen, wenn sie einen kühlen Kopf bewahren und einen Plan ersinnen würde. Hysterisches Schreien oder wutschäumendes Gebaren wäre ihrer Mordabsicht nicht gerade zuträglich. Also fügte sie sich ihrem Schicksal und verhielt sich friedlich. Sie wollte die Zeit hier bei ihm auf dem Pferd lieber nutzen, um ihn zu studieren. So könnte sie vielleicht irgendwelche Schwachstellen an ihm entdecken, falls er solche überhaupt besaß. Sie riss sich von ihrem Gedankengang los und sah sich um. Jetzt erst wurde sie sich der schaukelnden Bewegungen bewusst.
Oh nein! Ich sitze ja auf einem Pferd!
Das Gefühl, das sie mit dieser Erkenntnis überkam, war für sie kaum in Worte zu fassen. Eine Beklommenheit ergriff Besitz von ihr, die es sogar vermochte, sie die Gegenwart dieses Monsters vergessen zu lassen – zumindest für eine gewisse Zeit. Es fühlte sich für sie einfach falsch an, auf einem Pferd zu sitzen, noch dazu auf einem riesigen Kriegsross, dessen Fell dieselbe einschüchternde Farbe hatte wie die Kleidung ihres Peinigers - rabenschwarz. Warum
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