Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
dies so war, konnte sie nicht sagen. Sie suchte nach Ablenkung, indem sie ihr Blickfeld auf die Umgebung und den Himmel erweiterte. Vor ihr erstreckte sich eine Ebene so weit das Auge reichte. Und diese hatte scheinbar nichts anderes zu bieten als Gras und Sträucher. Mal hoch, mal niedrig, mal mit weniger, mal mit mehr Blättern, mal grün, mal gelb – wobei nach dem heißen, trockenen Sommer die Stellen mit gelbem, zum Teil schon bräunlich verfärbtem Gras die triste Farbe der Landschaft bestimmten. Nur einmal hielt ein riesiges Feld mit hohem strohgelben Gras Eleas Blick gefangen, und zwar als der Wind je nach dem, wie stark er hinein blies, es entweder fast bis auf den Boden drückte oder nur sanft seine Spitzen zum Hin- und Herwiegen brachte. Wenigstens konnten diese Bewegungen, die die unterschiedlichsten Muster in das Gras zauberten, der Einöde etwas Leben einhauchen. Bäume sah man nur hier und da, Wald schon gar nicht. Der graue, lückenlose Wolkenteppich trug ebenfalls seinen Teil zu der Trostlosigkeit herumum Elea bei. Daher auch die ungewohnte Kälte. Die Sonnestrahlen hatten nicht die geringste Chance, die Wolken zu durchdringen. Die Kälte konnte Elea im Moment jedoch nichts anhaben, da sie die Wärme des Maskenmannes, an dessen Körper sie unentrinnbar gepresst war, geradezu durchströmte.
Wenigstens muss ich nicht frieren!
Widerwillig musste sie sich eingestehen, dass ihr diese Wärme – auch wenn ihr Ursprung ihr mehr als verhasst war – sehr gelegen kam. Sie trug nur ihre Lederkleidung. Ihr Wolfsfellumhang hing zusammengerollt an ihrem Rucksack.
Irgendwann gab Maél den Befehl zum Anhalten. Er schubste Elea wie eine lästige Fliege vom Pferd, bevor er selbst lässig absprang. Die junge Frau schluckte eine bissige Bemerkung hinunter. Sie wollte sich eingeschüchtert und gehorsam geben, damit er sich vor ihr in Sicherheit wiegen würde. Den geringsten Moment der Unachtsamkeit würde sie jedoch gnadenlos ausnutzen, um ihn zu töten. Blieb nur noch das Problem, wie sie an eine geeignete Waffe kommen sollte. Sie sagte sich, dass sie nur Geduld haben müsste, bis sich eine Gelegenheit bieten würde. Es war unschwer zu erkennen, dass die Männer bis an die Zähne bewaffnet waren. Manche hatten mehrere Schwerter. Alle waren mit Pfeil und Bogen ausgerüstet. Früher oder später würde sich sicherlich auch das ein oder andere unbeobachtete Messer finden lassen, das sie Maél ins Herz stoßen könnte. Elea erschrak über ihre eiskalten Mordgedanken. Aber sie konnte nicht anders. Sie hasste diesen Mann. Sie wurde noch nie mit so viel Gewalt konfrontiert. Dass ein Mensch zu solch Grausamkeiten überhaupt fähig war, war ihr bis vor zwei Tagen nicht bewusst. Schuld daran war ihr behütetes Leben.
Die Männer tränkten zuerst ihre Pferde an einer kleinen Wasserstelle und ließen sie dann gesattelt grasen. Dann aßen auch sie etwas. Jadora bot Elea Brot und getrocknetes Fleisch an. Sie lehnte jedoch ab, da sie lieber von Breannas Haferkeksen essen wollte. Während der gesamten Rast wechselten Maél und der Hauptman kein einziges Wort. Jadora maß nur von Zeit zu Zeit den maskierten Mann mit missbilligendem Blick.
Elea musste anschließend die Reise wieder steif in Maéls einarmigem Klammergriff fortsetzen. So ritten sie, bis der Abend dämmerte und Maél einen geeigneten Schlafplatz gefunden hatte. Alles spielte sich wieder genauso ab, wie am Abend zuvor. Allerdings hatte Elea den Eindruck, dass Maél ihr gegenüber besonders wachsam war. Er ließ sie nicht einen Augenblick aus den Augen. Und wenn sie ihm den Rücken zudrehte, dann spürte sie regelrecht, wie sich sein Blick in ihn bohrte. Wahrscheinlich ahnt er, dass ich irgendetwas im Schilde führe. Das würde mich bei seinem Spürsinn nicht wundern. Er spürt er mich im Wald auf. Dann auch Kellen. Der Gedanke an Kellen ließ Elea sogleich wieder erschaudern. Zu ihren ungwohnten Hassgefühlen gesellte sich nun auch noch eine unsägliche Trauer. Arme Breanna, armer Albin! Wie werden sie seinen Tod nur verkraften können?
Die nächsten beiden Tage verliefen in derselben gleichförmigen, monotonen Weise und ohne nennenswerte Ereignisse ab. Der zweite Tag brachte allerdings insofern eine kleine Abwechslung, als es beim Aufbruch, leicht zu nieseln anfing. Dank Breannas Lederkleidung blieb Eleas Körper weitgehend trocken. Über ihr Kopftuch zog sie sich noch die Kapuze, sodass auch ihr Haar von der gröbsten Nässe verschont blieb.
Sie hatte sich
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