Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
Vom Netzwerk:
dran ist, aber ich bin mir einfach nicht sicher. Warum sollte ich mir mein Leben durch MS kaputtmachen lassen, wenn ich nicht irgendeine Art von Entschädigung bekomme?«
    »Ich glaube nicht, dass das Leben immer Entschädigungen bereithält, Jeremy.«
    »Was ist mit dem Leben nach dem Tod?«
    »Was ist mit dem Tod nach dem Leben nach dem Tod?« Das hörte sich sehr klug an, aber ich wusste selbst nicht genau, was ich damit meinte. Ein schlechter Witz.
    »Dann glaubst du also nicht daran, dass alles unendlich ist?«
    »Was für eine komische Frage. Nein. Die Unendlichkeit ist ein mathematisches Salonkunststück. Etwas künstlich Geschaffenes. Bis vor kurzem gab es sie noch gar nicht.«
    Jeremy lächelte. »Mir tut das Gehirn weh.«
    Ich tätschelte sein Knie und sagte: »Das Gehirn kann nicht wehtun. Es hat keine Nerven. Mit der Mitleidsnummer kannst du bei mir nicht landen.«
    »Was bist du doch für eine harte Nuss! Ich wette, du hast gelacht, als Bambis Mutter erschossen wurde.«
    Da war es um mich geschehen. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so schallend gelacht hatte.
    »Was ist denn daran so lustig? Was denn?«
    Ich nahm mein Bambi- Video vom Couchtisch und erzählte ihm von dem Besuch der reizenden Donna von Landover Communication Systems, unserer Schutzheiligen des Blümchenkaffees und der knappen Botschaften am Teeküchen-Kühlschrank, in denen die Kollegen gebeten werden, keine Karotten und Sellerieschnitzel anzurühren, die anderen Leuten gehören. Nun begriff Jeremy. Er sagte: »Deine Mutter wird ausrasten, wenn sie von mir erfährt.«
    »Allerdings.« Leslie hatte eine Packung Zigaretten auf dem Tisch vergessen. Ich zündete mir eine an, und wie aufs Stichwort klingelte das Telefon.
    Es war Mutter. Ohne erst hallo zu sagen, schrie sie einfach: »Ist das wahr?«
    »Ist was wahr, Mutter?«
    »Ich bin gleich bei dir.«
    »Danke, Mutter.« Ich legte auf und ging in die Küche. »Ich mach Kaffee. Willst du welchen? Darfst du überhaupt Kaffee?«
    »Ja und nein. Wie viel weiß deine Mutter über - ich weiß nicht ... mich?«
    »Du würdest staunen, wie wenig.«
    »Leg los.«
    »So einfach ist das nicht.« »Wieso nicht?«
    »Warte einfach noch ein bisschen. Wenn du vier Jahre lang gewartet hast, hältst du's auch noch ein bisschen länger aus.«
    Kurz darauf hörten wir es viermal (das war ihr Zeichen) fordernd an meine Tür klopfen. Die Haustürklingel hatte sie irgendwie umgangen.
    Als ich die Tür öffnete, bemerkte ich ihre hervorquellenden Augen, aber an ihrer Motorik konnte ich sehen, dass sie ihre Medikamente genommen hatte.
    »Komm rein, Mutter.«
    Sie zögerte.
    »Im Ernst. Komm rein.«
    »Ich hab nicht geglaubt, dass das je passieren würde«, sagte sie. »Ich auch nicht, Mutter.«
    »Die Adoptionsleute haben uns gesagt, wir dürften keinen Kontakt zu ihm haben.« »Ja, das haben sie.«
    »Das ist nicht meine Schuld. Ist es nie gewesen.« »Das behauptet ja auch niemand.«
    Mutter blieb draußen stehen, bis ich mit allem. Nachdruck darauf beharrte, dass sie hereinkam. Plötzlich wirkte sie sehr alt. Es war, als stütze sie sich auf eine unsichtbare Aluminium-Gehhilfe, während sie behutsam ins Wohnzimmer stapfte. Dort sah sie Jeremy neben dem Couchtisch stehen. Sie schaute ihn an und sagte: »Du bist es also wirklich.«
    Jeremy sagte: »Ja, natürlich.«
    »Komm her zu mir«, forderte sie ihn auf, und Jeremy gehorchte. Es wirkte fast so, als suchte sie sich im Super Valu eine Melone aus. »Ich wünschte, mein Mann hätte dich noch kennengelernt. Ein bisschen siehst du ihm ähnlich. Er ist vor ein paar Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Auf Hawaii.«
    »Ich weiß. Setz dich doch, bitte.«
    »Nein. Ich möchte dich erst noch ein bisschen anschauen.« Sie ging um Jeremy herum und musterte ihn von allen Seiten.
    Das war ihm deutlich unangenehm. Sie sagte: »Er hat was von deinem Vater, Lizzie - siehst du das?« »Ein bisschen.«
    Jeremy sagte: »Bitte. Setz dich.« Ich fragte: »Möchtest du einen Kaffee?« »Hast du noch was von diesem Baileys?« »Der ist alle.«
    »Dann nein danke.« Sie sah Jeremy an. »Also, wo bist du aufgewachsen - in Vancouver?«
    »Nein. Am Arsch der Welt. Überall.«
    »Oh — war deine Familie beim Militär?«
    »Schön wär's. Und es waren Familien, Plural. Alles in allem elf, und immer in British Columbia.«
    »Elf?«
    »Ja.«
    Mutter schaute Jeremy an, als trüge er ein »30%-ermäßigt« Schild, aber er tat so, als merkte er es nicht. »Die meisten meiner

Weitere Kostenlose Bücher