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Electrica Lord des Lichts

Electrica Lord des Lichts

Titel: Electrica Lord des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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mir.“
    Wenigstens schien er ihre Angst zu bemerken, wenn es sie auch nicht besonders beruhigte. Unter ihnen ratterten die Bretter des Holzstegs, während sie darüber hinwegfuhren. Dahinter gab es nichts weiter als die unergründlichen Tiefen des Firth of Lorn, welche unaufhaltsam näherkamen. Mochten ihr auch die Worte im Halse stecken bleiben, ihr Schrei tat es nicht. Panisch schlug sie die Hände vor das Gesicht, presste die Augen zu, in der festen Überzeugung, gleich vor ihren Schöpfer zu treten. Ihr Magen machte einen Satz, als das Automobil über das Ende des Stegs hinwegschoss. Im selben Moment schien ihr Herzschlag auszusetzen. Eine weitere Welle von Übelkeit zog über sie hinweg, bei dem plötzlichen Gefühl, keinen Boden mehr unter den Füßen zu haben.
    Ohne darüber nachzudenken, wagte sie einen Blick durch ihre gespreizten Finger und erstarrte. Durch die vordere Scheibe sah sie in den Himmel, dann kam in der Ferne das gegenüberliegende Ufer in Sicht. Ehe sie begriff, dass sie durch die Luft flogen, klatschte das Gefährt auf die Wasseroberfläche. Die Wucht des Aufpralls schien ihre Eingeweide in Einzelteile zu zerlegen. Ihre keuchenden Atemzüge hörten sich an wie dumpfe Hammerschläge inmitten der plötzlichen Stille. Schaukelnd dümpelten sie auf dem Wasser, während im Wageninnern die Luft zunehmend dünner zu werden schien. Die Enge der Kabine wurde ihr auf beklemmende Weise bewusst. Der Druck in ihren Ohren wurde stärker, ließ sie instinktiv schlucken. Neben ihr betätigte Cayden seelenruhig einige seiner glänzenden Hebel und Schalter. Als sie sich darüber wunderte, warum diese motorisierte Kutsche mit einem Mal zu einem Boot geworden war, senkte sich die Schnauze ab und tauchte ins Wasser. Erneut schrie Sue auf und klammerte sich an Caydens Ärmel. Für sein Lachen hätte sie ihn am liebsten geschlagen.
    Zwar konnte sie mit seiner Art Humor im Augenblick nicht viel anfangen, doch zumindest bedeutete er ihr damit, dass sie nicht dabei waren, zu ertrinken. Er steuerte das Gefährt weiter hinab in die Tiefe. Ihr Mund war viel zu trocken, als dass ihr ein Wort über die Lippen kommen könnte.
    Grünliche Schaumkronen sprudelten an der Scheibe hinauf, als befänden sie sich im Inneren eines Glases, das untergetaucht wird. Tatsächlich tat der Wagen nichts anderes, bis er sich schwimmend fortbewegte. Caydens Blick konzentrierte sich auf einen verzierten Kompass am Armaturenbrett.
    Gebannt starrte Sue aus dem Seitenfenster in das undurchdringliche Grüngrau des Wassers und begann zu glauben, dass es kein Ende nehmen würde, wenn sie weiter in die Tiefe sanken. Alles wirkte dunkel und einsam, nur hin und wieder huschte der Schatten einer Forelle an ihnen vorbei. Die Unterwasserwelt wurde durch die Scheiben verzerrt und verwischt, torfgetünchte Algen wirkten wie faseriges Rhabarbermus in einem Kochtopf. Mit klopfendem Herzen legte Sue die flache Hand auf das Seitenfenster und suchte mit bangem Blick den Rahmen nach eindringendem Wasser ab. Glücklicherweise fühlte sich die Scheibe trocken und kühl an. Dennoch wirkte sie so unglaublich dünn, viel zu schwach, um gegen die Wassermassen eines ganzen Flussseitenarms bestehen zu können.
    „Was … was ist, wenn sie nicht halten?“ Sie räusperte sich und vertrieb das Kratzen in ihrer Stimme. „Wenn sie zerbrechen.“
    „Die Scheiben?“ Cayden blickte sie an und schmunzelte. „Keine Sorge. Unter Wasser könnte man sie nicht mal einschlagen. Zumindest nicht, solange Luft im Innenraum ist.“
    Wieder durchfuhr Sue ein Schreck bei dem Gedanken, die Luft könnte ihnen ausgehen. Besonders viel konnte davon hier nicht sein in dieser Enge. „Wie lange reicht die Luft denn noch aus?“
    „Ich sagte doch, vertrau mir“, entgegnete Cayden beiläufig.
    In scheinbar routiniertem Ablauf drückte er verschiedene Knöpfe, um dann langsam einen Hebel in seine Richtung zu ziehen. Sein Blick richtete sich nach vorn. Sue fühlte sich auf einmal wieder in ihren Sitz gedrückt, als die Vorderseite des Wagens sich nach und nach anhob. Das Tempo schien sich zu verringern. Dann tauchten sie wieder auf, bis dieUferböschung ihr Blickfeld erfüllte. Sie steuerten unmittelbar auf Oban zu, einige Meilen abseits des Anlegestegs der Fähre. Rumpelnd landeten die Räder auf der steinigen Böschung, während Cayden das Tempo erhöhte, bis der Motor aufheulte. Nachdem sie die Steigung überwunden hatten, kamen sie auf der Anhöhe zum Stehen. .
    Mäßig beruhigt, wieder

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