Electrica Lord des Lichts
Es schien ein System dahinter zu stecken, möglicherweise nach Rang oder Namen geordnet, doch dieses Wissen entzog sich ihr. Sie wusste nur, dass ihre Position in der endlosen Reihe aus schimmernden Roben und edlen Fracks weit hinten lag. Sicher wird es mindestens eine Stunde dauern, bis der König diese Allee aus ehrerbietungswilligen Untertanen durchschritten hatte. Denn Majestät war bereits eingetreten und hatte nach wenigen Schritten vor einem Höfling haltgemacht, um mit ihm ein paar Worte zu wechseln oder sich beweihräuchern zu lassen. Aus der Entfernung konnte sie nicht viel erkennen, sondern bemühte sich, aufrecht neben Cayden auszuharren.
Als der König samt Gefolge nach einer gefühlten Ewigkeit vor ihnen stehen blieb, stockte ihr fast der Atem. Schon aus der Ferne hatte sie erkennen können, dass Georg III. nicht mit besonderen Körpermaßen gesegnet war. Zunächst hatte sie angenommen, er sei vom Alter gebeugt, doch als er nun vor ihr stand, den Blick auf Cayden gerichtet, fühlte sie sich beschämt, den König von England um mehr als eine Haupteslänge zu überragen. Sofort sank sie sittsam in die Knie, den Blick starr auf seine rot bestrumpften, knorrigen Beine gerichtet. Die Schnallen an den königlichen Schuhen waren mit mehr Edelsteinen besetzt, als die meisten Colliers der Damen im Raum.
„Lord Cayden Maclean. Wir sind hocherfreut, Euch hier anzutreffen“, verkündete der König jovial und schlug mit einer erstaunlich schwungvollen Bewegung den pelzbesetzten Saum seines Umhangs über die Schulter.
Cayden vollzog eine formvollendete Verbeugung. „Euer Majestät.“
„Madam, bitte erhebt Euch, damit ich Euer Gesicht betrachten kann.“
Damit war wohl sie gemeint. Sue atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. Hoffentlich hatte sie sich angemessen verhalten, schließlich hatte sie während des Empfangs genug Möglichkeiten gehabt, den Hofknicks bei den Damen zu beobachten. Sie richtete sich auf, hielt aber den Blick gesenkt und wünschte sich inständig, sie wäre kleiner. Um ihr in die Augen sehen zu können, hätte der König den Kopf in den Nacken legen müssen, was sicher nicht standesgemäß war. Doch dieser trat erhaben einen Schritt zurück.
„Nun? Wollt Ihr uns nicht mit der Dame bekannt machen, Cayden?“ Der König gab sich belustigt, was ihm ein paar gehorsame Lacher aus seinem Gefolge beschied.
„Selbstverständlich, Euer Majestät“, kam es von Cayden zurück. „Dies ist Lady Sue Beaton aus Lochdon.“
„Charmant. Da sieht man wieder, welche Perlen unser Königreich hervorbringt.“
Lachen und Raunen ertönten hinter dem König. Anscheinend beliebte Majestät, zu scherzen.
Sue wagte, den Blick zu heben. „Ich danke Euch, Euer Majestät.“
Das königliche Gesicht stand im Gegensatz zu seinem offenkundigen Humor. Nicht mal das prächtige Geschmeide auf der hageren Brust schaffte es, einen Glanz auf die graue Haut zu werfen. Sein drahtiges Haar stand ihm ebenso vomKopf ab wie seine buschigen Augenbrauen. Die eingefallenen Wangen warfen tiefe Schatten und Sue meinte, seinen Atem rasseln zu hören.
Lächelnd wandte sich der König ab und hob wie zu einem Zeichen seine Hand. Ein pompöser Siegelring überlud seine magere Hand wie ein schweres Gewicht. Sofort machte sich sein Gefolge auf, dafür zu sorgen, dass sich die Menge hinter dem König zerstreute. Offensichtlich war die Audienz damit beendet. Der König legte Cayden freundschaftlich den Arm auf die Schulter und zog ihn außer Hörweite der Umstehenden.
„Mein Lieber, Eure letzte Transaktion hat uns einen erheblichen Vorteil in der strategischen Kriegsführung eingebracht. Ihr seid ein äußerst fähiger Geschäftsmann.“
„Immer gern zu Diensten, Majestät“, erwiderte Cayden.
Während sein Vater unter der Last seiner Krone zusammenzubrechen drohte, demonstrierte der Prinz eine ehrwürdige Haltung. Einzig der wachsame Blick aus haselnussbraunen Augen zeugte von einer Blutsverwandtschaft und ließ ahnen, dass der König als junger Mann einmal eine stattliche Erscheinung gewesen war. Prinz George reichte Sue seinen Arm, damit sie gemeinsam hinter dem König und Cayden aufschließen konnten. Die besondere Aufmerksamkeit des Königs zog ein paar missgünstige Blicke der Höflinge mit sich, die noch hinter Cayden und Sue gestanden hatten und sich nun ihrer persönlichen Aufwartung bestohlen sahen.
Sue ging neben ihrem hochrangigen Begleiter her und versuchte, die Umstehenden zu ignorieren. Das fiel ihr
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