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Electrica Lord des Lichts

Electrica Lord des Lichts

Titel: Electrica Lord des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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anliegenden Hosen naturgetreu jeden Muskel seiner langen Beine. Unwillkürlich spürte Sue Hitze in ihren Wangen steigen.
    Möglichst unauffällig atmete sie tief durch, und deutete auf die messingverzierte Wanduhr. „Jetzt? Es ist bereits Nachmittag, die letzte Fähre nach Oban setzt bei Sonnenuntergang über, wir können unmöglich rechtzeitig an der Anlegestelle sein. So schnell läuft kein Pferd.“
    Mit einem Grinsen, das bei jedem anderen herablassend gewirkt hätte, zog Cayden eine Taschenuhr aus seiner Jacke, um die Uhrzeit zu vergleichen. „Die Unmöglichkeiten kannst du getrost mir überlassen.“
    „Ich kann doch nicht einfach wegfahren.“
    „Natürlich kannst du das, betrachte es als Ausflug.“ Er wandte sich ab.
    „Was tun wir in Fort William?“
    „Die Zeit vertreiben, bis sich die Wogen geglättet haben“, antwortete er, ohne sich umzudrehen.
    In diesem Moment war Cayden für sie der unbegreiflichste Mensch, der einen in Raserei treiben konnte, weil er immer in Rätseln sprach. So einfach wollte sie ihn nicht davonkommen lassen. Dabei war sie sich nicht im Klaren, was sie überhaupt von ihm erwartete. Sie konnte ihn kaum fragen, warum er sie dazu anhielt, mit ihm auf Reisen zu gehen oder sie dazu aufforderte, im Schloss zu wohnen. In Wahrheit drehten sich ihre Gedanken ständig um die gemeinsame Nacht. Für sie hatte sich dadurch einiges verändert, auch wenn sie versuchte, sich das Gegenteil einzureden. Sie wollte wissen, ob er ähnlich empfand, wagte sich aber nicht zu fragen, weil sie Angst vor der Antwort hatte. Er ließ sie mit Lady ansprechen, obwohl sie eine einfache Magd für ihn sein musste. Er behandelte sie mit Respekt, ließ aber keine Anzeichen auf tiefere Gefühle durchblicken. Außerdem gab es noch diese innige Umarmung mit einer fremden Frau, was darauf hindeutete, dass er sich bei der Wahl seiner Bekanntschaften nicht festzulegen gedachte. Kein ungewöhnliches Verhalten unter Gentlemen seines Standes.
    In der Tür drehte er sich noch einmal um. „Du solltest deine hübsche Stirn nicht runzeln. Vertrau mir.“
    Schon wieder stand sie allein in einem leeren Raum, den Kopf voller Fragen, das Herz voller Verwirrung. Wütend stampfte sie lautstark mit dem Fuß auf wie ein Kind, das seinen Willen durchsetzen wollte. Obwohl das nie zum gewünschten Erfolg geführt hatte. Auf dem Weg zu ihrem Gemach rief sie nach Babu, in der Hoffnung, die Zigeunerin möge sie hören. Nach ihr zu suchen war ohnehin zwecklos. Anscheinend war es gang und gäbe auf Duart Castle, aus dem Nichts aufzutauchen und zu verschwinden. Außerdem blieb ihr keine Zeit, sich in den endlosen Gängen des Schlosses zu verlaufen.
    In ihrem Zimmer stand sie ratlos vor dem offenen Kleiderschrank. Wahllos griff sie nach einem geblümten Kleid, welches ihr aufwendig genug erschien. Verflixt. Sie wusste nicht mal, zu welchem Anlass sie sich kleiden sollte. Einziger Anhaltspunkt war Caydens Aufmachung. Allerdings kam er ihr bei jeder Begegnung außergewöhnlich erlesen gekleidet vor. Unschlüssig begab sie sich vor den Frisiertisch, zog einen geraden Mittelscheitel und fing an, ihre Haare zu flechten. Um die seitlichen Flechten zu Schnecken gedreht aufzustecken, bedurfte es keines besonderen Geschicks. Schwieriger war es mit dem Zopf am Hinterkopf. Glücklicherweise betrat Babu im richtigen Moment den Raum. Sofort ließ Babu den Wust an Stoffen, darunter einen seltsam dehnbaren Käfig, auf das Bett fallen und vollendete mit geschickten Bewegungen Sues Frisur. Abgerundet wurde das Bild durch eine spitzenbesetzte Schute, deren Anblick Sue verwunderte.
    „Ist eine Haube nicht zu … gewöhnlich?“
    Babu schüttelte den Kopf. „Neueste Mode der feinen Leute.“
    Entweder war Babu von Cayden instruiert oder ihr Wissen über gesellschaftliche Etikette entstammte anderen Quellen.
    „Weißt du, zu welchem Anlass Lord Maclean nach Fort William reist?“ Einen Versuch war es wert. Dienstboten waren nicht selten informiert, damit sie ihre Arbeit auf die entsprechenden Pläne ihrer Dienstleute einrichten konnte.
    „Mylord unterrichtet uns niemals über seine Reisen.“ Babu blickte sie verständnislos an und hielt ihr das Käfiggestell hin.
    „Natürlich“, erwiderte Sue. „Das soll ich anziehen? Was ist das?“
    „Eine Krinoline. Sie bringt Euer Kleid in Form ohne die Notwendigkeit, mehrere Unterröcke übereinander zu ziehen.“
    „Klingt praktisch, wenn auch nicht bequem.“ Sue stieg in den Rock aus aneinandergebunden

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