Electrica Lord des Lichts
anderes erwartet. Ein Bekenntnis, über das sie sich nicht mal bewusst war. Bis zu diesem Augenblick. Doch er hatte recht. Es wäre ein wenig übereilt, ihm zu gestehen, dass sie dabei war, sich zu verlieben. Gott, denn das tat sie. Wahrscheinlich seit ihrer ersten Begegnung. Es war diese Andersartigkeit, die ihn ausmachte, ihn so undurchsichtig wirken ließ und sie auf unwiderstehliche Weise anzog. Kein Wunder, dass ihr kein Heiratsantrag angemessen erschienen war, sodass sie insgeheim schon beschlossen hatte, ihr Leben ohne einen Mann an der Seite zu verbringen. Erneut gerieten ihre Gefühle in Aufruhr. Ein leises Flattern machte sich in ihrem Bauch breit. Plötzlich erschien ihr dieser fremdartige Mann wie das fehlende Stück im Puzzle ihres Lebens. Es fügte sich geschmeidig ein, vollendete, was unvollständig gewesen war. Sie schluckte. Sein Interesse an ihr mochte offenkundig sein, was aber nicht bedeuten musste, dass er mehr für sie empfand.
„Verstehen bedeutet nicht begreifen“, sagte er leise.
„Dann hilf mir, zu begreifen.“
Er sah sie mit einem seltsam schiefen Lächeln an, als sei sie ein Kind und hätte vor lauter Unschuld etwas Wunderbares gesagt. Er machte Anstalten etwas zu erwidern, schüttelte aber leicht den Kopf. Schwungvoll hob er sie zur Seite, legte sie auf die Sitzfläche. Sein Gesicht näherte sich langsam, dabei betrachtete er sie wie jemand, der etwas Unglaubliches entdeckt hatte. Mit beiden Händen streichelte sie über seine Wangen, tastete die weiche Haut seiner Ohren, fuhr an seinen Koteletten entlang bis zu seinen leicht geöffneten Lippen. Einer unerklärlichen Eingebung folgend, tastete sie über seine Zähne. Er hatte sie fest zusammengebissen, doch sie hätte schwören können, dass die Eckzähne spitzer und länger waren, als sie es jemals bei einem Menschen gesehen hatte. Seine Zunge glitt über ihren neugierigen Finger, schob ihn sachte hinaus, bevor sein Kopf sich senkte.
Die funzelige Laterne in der Kutsche schaukelte im Takt einer unhörbaren Melodie. Sein Kuss war weich, warm und voller Leidenschaft. Berauschte ihre Sinne. Sie hörte ihr eigenes Lachen. Es war gut. Wirklich bedauerlich, dass die Kutsche schon so bald wieder anhielt.
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Kapitel 10
„A
h, es ist so weit. Endlich.“
Mit einem zufriedenen Seufzen atmete Baron Luthias aus wie ein Sterbender, der seinen letzten erlösenden Atemzug tat. Gestorben war er oft genug. Jetzt fing er wieder an zu leben. Er lehnte sich im Sitz der Kutsche zurück und schloss die Augen. Diese Vision wollte er vollends genießen. Lange genug hatte er darauf gewartet.
Gut sah er aus, sein schöner Verräter. Das ungehorsamste seiner Geschöpfe, dem bald sein Hass entgegenschlagen würde.
Und da war sie auch schon, eine rothaarige Schönheit in hingebungsvoller Liebe entflammt. Doch Luthias Interesse galt dem anderen Herzen, welches sich endlich geöffnet hatte. Es war nur eine Frage der Zeit, wann es einer Frau gelingen würde, Cayden Maclean für sich zu gewinnen, ihn zu zwingen, seine Schutzmauer aus unterdrückten Gefühlen niederzureißen. Dagegen war auch die gesteigerte Macht des Vampirs hilflos. Für Luthias hingegen war der Weg geebnet.
Die Zeit der Rache war gekommen. Er konzentrierte seine mentalen Fähigkeiten intensiver auf Cayden, bevor er ihn wieder verlor. Für eine gedankliche Kontaktaufnahme reichten seine Kräfte noch nicht, da es sich um jemanden von seiner Art handelte. Um die Gedanken eines Sterblichen zu beeinflussen, war kein besonderer Aufwand nötig. Dazu benötigte Luthias nur seine Instinkte und die funktionierten prächtig. Bilder von Gesichtern rauschten an seinem inneren Auge vorbei. Er sah diese Marionette von König, dem eine weitere folgen würde, der Kronprinz. Caydens Unruhe überschattete die Flut von Eindrücken. Eine grimmige Freude machte sich in Luthias breit.
„Gut so, lass mich sehen, was du fühlst, damit ich es dir aus dem Leib reißen kann.“
Luthias ballte die Hände zu Fäusten, verstärkte das Band zwischen ihm und seinem Geschöpf, welches so lange gebrochen war. Es durchzuckte ihn wie ein Blitz, als er seinen Geist in Caydens Kopf pflanzte, durch dessen Augen sah. Die Verbindung würde nicht lange anhalten. Doch es musste reichen, um herauszufinden, wo sich sein Jungvampir aufhielt. Weitere Eindrücke von Häusern, Straßen und einem fremdartigen Gefährt blitzten auf. Wie ein Schatten an seiner
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