Electrica Lord des Lichts
trauen. Obwohl er sich versöhnlich gab, konnte sie sich kaum vorstellen, dass er ihr den Ausbruch ohne Weiteres verzieh.
Meine Güte. Ihr Gehirn fühlte sich an wie ein Stück Seife, an dem jeder sinnvolle Gedanke vorbeirutschte, um in ein glitschiges Gewühl aus nicht zu Ende gedachten Worten und Sätzen zu fallen. Irgendwas an Caydens Anwesenheit schien diese entspannende Leere auszulösen, denn sobald sie eine Weile nicht zusammen waren, überkam sie eine nervöse Unruhe. Im Moment schien es ihr ähnlich zu ergehen. Sie kam sich seltsam entrückt vor, als wäre sie jemand vollkommen anderes. Während er ihr beim Einsteigen half, kämpfte sie die Tränen hinunter. Der Streit hatte sie aufgebracht. Sie konnte Caydens seltsames Verhalten nicht deuten. Eigentlich war es seit ihrer ersten Begegnung so gewesen. Doch je länger sie ihn kannte, desto unberechenbarer erschien er. Es blieb nichts, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Sie nahm sich vor, baldmöglichst ins Dorf zurückzugehen. Vielleicht wäre das am besten. So schillernd und aufregend das Leben an Caydens Seite auch sein mochte, keimten immer wieder leise Zweifel in ihr auf, ob sie sich wirklich am wahren Platz befand. Irgendwas schien nicht richtig zu sein, auch wenn es dafür vermutlich nie eine Garantie geben konnte. Vielleicht sollte sie anfangen, sich mehr auf ihre eigene Sicht der Dinge zu konzentrieren, anstatt ständig versuchen zu wollen, Caydens ohnehin unberechenbares Verhalten analysieren zu wollen.
„Warum machst du so ein Gesicht? Wir sollten uns von einem kleinen Disput nicht die Laune verderben lassen“, sagte Cayden, ohne eine Antwort zu erwarten. „Highland Hotel“, rief er dem Kutscher zu und nahm neben ihr Platz. Das Gefährt setzte sich rumpelnd in Bewegung. „Du bist angespannt, meine Liebe.“ Er griff nach ihrer Hand.
„Es geht mir gut“, erwiderte sie.
„Danach siehst du aber nicht aus.“ Er veränderte seine Sitzposition, damit er sie ansehen konnte. Der belustigte Unterton provozierte sie.
„Du bist unglaublich selbstsüchtig, Cayden Maclean.“
„Natürlich bin ich das, wir alle sind selbstsüchtig.“
„Aber die meisten von uns haben ein Gewissen“, erwiderte sie mit klopfendem Herzen. Sie war nicht sicher, ob sie einer Diskussion mit ihm standhalten konnte, doch das Gefühl, etwas zwischen ihnen klären zu müssen, trieb sie an.
„Gewissen ist nichts weiter als ein nichtsnutziger, von Urinstinkten gesteuerter Impuls.“
Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Unter seinem Blick wurden ihre Knie weich. Sie war froh zu sitzen. Ihr fehlten die richtigen Worte, zumal sie sein Verhalten nicht zuordnen konnte. Für Cayden war der Vorfall bereits Vergangenheit. Für sie nicht.
„Komm her.“ Mit beiden Händen umfasste er ihr Gesicht.
Sein Kuss war sanft, löste aber nicht das Geringste in Sue aus. Dennoch erwiderte sie ihn widerstrebend. Er löste sich von ihr und musterte ihr Gesicht.
„Immer noch nicht gut?“
Sie war benommen, ihr Kopf voller Watte. Er hob die Hand vor ihre Augen. Gebannt folgte sie seiner Bewegung, als würde er einen Schleier von ihr wegziehen. Tatsächlich schien augenblicklich eine Last von ihren Schultern zu fallen. Die trüben Gedanken und Zweifel stoben davon, machten Platz für angenehme Sorglosigkeit. Wohltuende Wärme breitete sich in ihr aus, zog durch ihre verspannten Glieder. Ihre Lider wurden schwer. Langsam verengte sich ihr Blickfeld. Verlockender Frieden begann sie zu umhüllen. Es war nicht richtig. Wie ein Kreischen rauschte eine innere Stimme durch sie hindurch, bis plötzlich eine Kraft in ihr aufstieg, von deren Existenz sie nichts geahnt hatte.
„Nein!“ Erschreckt über die Lautstärke ihrer Stimme bemerkte Sue, wie sich der Kutscher zu ihnen umdrehte. „Es reicht“, fügte sie etwas leiser, aber bestimmt hinzu. Augenblicklich begann ihr Herz wie wild gegen ihre Rippen zu hämmern. Caydens Hand verharrte kurz in der Luft, bevor sie sich senkte. Sue wandte rasch ihren Kopf zur Seite, doch aus dem Augenwinkel sah sie noch Caydens überraschten Gesichtsausdruck. Dieses Mal schnellten seine Brauen in die Höhe. Er hatte also doch nicht alles im Griff. Sue fühlte Genugtuung hochsteigen.
„Madam, mäßigt Euch“, setzte er mahnend an.
„Ach, hör schon auf mit diesem förmlichen Gerede. Es ist nicht nötig, mir zu drohen. Ich verstehe, dass du erzürnt bist über mein Verhalten in aller Öffentlichkeit. Es spricht nichts dagegen, wenn wir uns
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