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Electrica Lord des Lichts

Electrica Lord des Lichts

Titel: Electrica Lord des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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Gräfin winkte schwach ab, ihre Augen richteten sich sehnsüchtig in die Ferne. „Ach, ich hätte alles darum gegeben, damit er mich zu sich an seine Seite holt. Doch er hat gezögert … so lange. Die Jahre vergingen, ich wurde älter und er verlor zunehmend das Interesse.“
    Sue starrte sie wortlos an. Anscheinend ging die Gräfin davon aus, dass Sue wusste, in welcher Verbindung sie zu Cayden stand. Dabei hatte sie diese Frau nie zuvor gesehen oder von ihr gehört. Was wiederum nicht weiter verwunderlich war, wenn man bedachte, dass sie im Grunde nichts über Cayden wusste. Erneut zog Groll in ihr auf. Er hatte sie einfach stehen gelassen und nun steckte sie in dieser unmöglichen Situation mit einer Frau, die ihr Dinge offenbarte, die man allenfalls einer besten Freundin erzählte. Oder einer Gleichgesinnten … meine Güte, natürlich, in ihren Augen war Sue der jüngere Ersatz an Caydens Seite.
    Verdammt, wo blieb er bloß? Er konnte ihr doch nicht zumuten, sich mit einer seiner ehemaligen Liebschaften auseinanderzusetzen. Mit so etwas hatte sie nicht die geringste Erfahrung. Sie wusste schon jetzt nicht, wie sie sich richtig zu verhalten hatte, ohne die Gräfin zu kränken. Doch dazu reichte anscheinend ihre bloße Anwesenheit.
    „Er hat es Euch nicht erzählt?“ Die Gräfin musterte sie mit verengten Augen.
    Sue biss sich auf die Lippen und schüttelte den Kopf. Natürlich hatte Cayden nicht mit ihr über die Frauen in seinem Leben gesprochen.
    Sie lachte laut auf, wodurch Sue sich erst recht bloßgestellt fühlte. Wahrscheinlich wusste spätestens jetzt jeder im Raum vom vergangenen Verhältnis der Gräfin. Diese lachte weiter. Glockenhell. Mit der vermutlich erwünschten Wirkung. Immer mehr Köpfe wandten sich ihnen zu, wurden zum Publikum eines bevorstehenden Schauspiels, in dem Sue ungewollt eine Rolle zugewiesen worden war. Am liebsten wäre sie im Boden versunken.
    „Er hat es ihr nicht erzählt“, verkündete die Gräfin in die Runde.
    Feuerrote Locken tanzten über ihren Rücken bei ihrer schwungvollen Drehung. In ihrer Stimme schwang eine bedrohlich zunehmende Hysterie mit. Plötzlich hatten es alle eilig, sich abzuwenden, nahmen ihre Gespräche wieder auf, als sei nichts geschehen. Die Vorstellung war abgesagt worden, bevor sie überhaupt begann.

    Cayden ignorierte Sues flehenden Gesichtsausdruck. Natürlich war es ihr unangenehm, allein zurückgelassen zu werden unter lauter Menschen, die sie nicht kannte. Mittlerweile bedeutete sie ihm mehr als eine hübsche Maid vom Lande. Sie auf ihre gesellschaftliche Tauglichkeit zu prüfen, erschien ihm nach ihrem Streit überflüssig. Mutig hatte sie ihm die Stirn geboten. Ihre Ohrfeige dürfte noch eine Weile für Gesprächsstoff unter den Adligen sorgen. Den Kongress hatte sie mit Bravour gemeistert. Sie hatte sich charmant und klug gegeben. Das gefiel ihm. Dem König offenbar auch. Sie war eine Rose unter den Disteln.
    Da sie ihre Kindheit im englischen Teil des Empires verbracht hatte, verriet kein unliebsamer Dialekt ihre Herkunft, sodass Cayden sie offiziell als Cousine zweiten Grades vorstellen konnte. So pflegte er es stets zu handhaben, denn es kam seinen Geschäften zugute, wenn er sich auf Festen und Empfängen in weiblicher Begleitung zeigte. Er wählte sie mit Bedacht, wobei ein hübsches Antlitz und ausreichende Redegewandtheit ausschlaggebend waren. Nur bei einem halben Dutzend von Sues Vorgängerinnen hatte er in Erwägung gezogen, sie als zukünftige Gefährtin zu betrachten. Seinen Ansprüchen war bisher keine der Damen gerecht geworden. Meistens hatte er schon im Verlauf des ersten Abends beschlossen, dass der schmucke Tand an seiner Seite nicht mehr taugte als zu einer unterhaltsamen Nacht mit abschließendem Blutmahl.
    Möglicherweise erfüllte Sue seine Erwartungen, denn immerhin hatte sie Haltung bewahrt, als er sie inmitten der Opiumhölle hatte stehen lassen. Dagegen war es mehr als fraglich, ob sie seine wahre Natur zu akzeptieren vermochte. Das würde sich zeigen. Hauptsache, er behielt die Kontrolle. Genau das war der Punkt, der ihn ein wenig aus der Fassung brachte. Nie zuvor war ihm ein Sterblicher auf die Schliche gekommen, wenn er seine mentalen Kräfte einsetzte. Ein Lächeln schlich sich in sein Gesicht bei dem Gedanken an ihren forschen Blick, den sie mühsam von ihm abzuwenden versuchte. Natürlich hätte er sie ohne Weiteres dazu bringen können, ihn dennoch anzusehen. Doch ihr Verhalten hatte ihn neugierig gemacht

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