Electrica Lord des Lichts
der Rausch seine Sinne. Wärme durchströmte prickelnd seine Gliedmaßen. Sein Blickfeld verengte sich zu einem blutroten Tunnel. Aus der Ferne drang das Wimmern seines Opfers zu ihm, dessen Beine den Dienst versagten. Doch er presste den erschlafften Körper ohne Mühe gegen die Wand.
Nach einer Weile erhob er sich befriedigt und wandte sich dem Spiegel zu, um die Blutreste aus seinen Mundwinkelnzu wischen. Hinter ihm sackte der bewusstlose Lustknabe mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Das war seine wahre Natur. Er war der Jäger und nicht der Gejagte.
Er war gerade fertig, die Gedanken des Ohnmächtigen zu manipulieren, damit dieser sich nur an eine der ihm gewohnten Dienstbarkeiten erinnern würde, als ihm plötzlich ein verhaltener Tumult aus dem Salon ins Ohr drang. Außer ihm hätte das sonst niemand aus dieser Entfernung wahrnehmen können, weil es mehr einer Ahnung gewisser Unannehmlichkeiten gleichkam. Eine Stimme hob sich besonders durchdringend und schrill ab und war ihm mehr als vertraut.
„Verflucht“, presste er zwischen den Zähnen hervor. Die Gastgeberin hatte anscheinend beschlossen, seine Abwesenheit zu nutzen, sich auf ihre verquere Weise Sue zu nähern. Es war absehbar, dass Cayden ihr irgendwann begegnen würde, seit er erfahren hatte, dass sie nach Schottland übergesiedelt war. In den vergangenen Jahren war es ihm gelungen, ihr aus dem Weg zu gehen. Bekannt für ihre ausufernde Launenhaftigkeit, hatte sich kein Mann gewagt, ihr einen Antrag zu machen, obwohl sie eine durchweg gute Partie war. Cayden konnte mit den meisten ihrer Ausbrüche umgehen. Baute sie auf, wenn sie in tiefster Melancholie versank, und holte sie auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn ihre euphorischen Ausbrüche in Aggressionen auszuufern drohten. Doch die psychische Wankelmütigkeit stattete sie mit einer außergewöhnlichen Betrachtungsweise aus, sodass sie irgendwann damit anfing, Cayden als Spukbild oder Geistererscheinung zu bezeichnen.
Fast hätte sie seine sorgsam gehütete Identität aufs Spiel gesetzt mit ihren verrückten Behauptungen. Glücklicherweise nahmen die Menschen in ihrer Umgebung sie nicht ernst, wenn sie von dem Geist, den sie liebte, schwärmte. Diese Beziehung nahm sich als zunehmend unbequem aus und er zog sich nach und nach zurück. Dabei war wie häufig die Zeit sein Freund, denn sie ließ die Sterblichen nicht nur altern, sondern meistens auch vergessen. Er blieb ohnehin nur so lange an einem Ort, bis der Altersunterschied zwischen ihm und seinem Umfeld zu auffällig wurde. Erst Generationen später konnte er einen Ort erneut aufsuchen. So wie jetzt, da er nach Duart zurückgekehrt war.
Bei der Gräfin hatte Cayden damals ein bisschen nachgeholfen und sie mit einem Bann belegt. Eigentlich konnte er sich auf die Wirkung verlassen. Umso ärgerlicher, dass ihm Zweifel aufkamen. Wenn bei der Gräfin nicht die körperliche, sondern die geistige Konstitution unberechenbar war, bestand die Möglichkeit, dass sein Bann unabsehbare Folgen ausgelöst hatte. Verdammt, er hätte gar nicht erst ihre Anwesenheit in diesem Teil des Landes dulden dürfen.
Er stieß ein Schnaufen aus bei der Vorstellung auf eine der berühmt berüchtigten Szenen seiner Ehemaligen. Beinahe hätte er sich damals für die Gräfin entschieden. Sie hatte alle Voraussetzungen erfüllt. Nicht mal einen Adelstand musste er erfinden, über den verfügte sie bereits, als er sie vor zwanzig Jahren in Frankreich traf. Doch er hatte keinen Sinn darin gesehen, sich mit einer Frau zu liieren, für die er nichts empfand. Damals hatte er noch angenommen, eine solche Beziehung könne die Erinnerung an seine Liebe zu Alice zu einer Farce herabsetzen. In Wahrheit hatten weder die Gräfin noch eine andere Frau sein Herz auf diese Weise berühren können. Bis jetzt. Unwillkürlich schluckte er, denn Alice mochte zwar längst der Vergangenheit angehören, aber Sue nicht. Luthias Rache schon gar nicht, ob er nun existierte oder nicht. Cayden hatte ihm ohne sein weiteres Zutun den Weg zu seiner unerbittlichen Rache geebnet. Diese plötzliche Erkenntnis ließ ihn mitten im Gehen innehalten. Im nächsten Moment überkam ihn der unwiderstehliche Drang, sofort an Sues Seite zu eilen, um sie zumindest von der Gräfin zu befreien.
Erleichtert stellte Sue fest, dass Cayden es endlich für angebracht hielt, aus der Versenkung aufzutauchen. Ohne sie zu beachten, schoss er auf die Gräfin zu und fasste grob ihren Arm.
„Es reicht, Lilian. Kommt
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