Electrica Lord des Lichts
den Blick ab, als ein Herr seiner kichernden Begleiterin ihr Kleid an den Schultern hinabzog, bis ihre Brüste freilagen. Andere Paare verschwanden in Feierlaune hinter Türen, deren Außenverkleidung mit der des gemusterten Wandbehangs identisch und mit bloßem Auge kaum erkennbar war.
Dennoch hatte die ausgelassene Stimmung etwas für sich, sodass Sue sich allein damit unterhalten fühlte, indem sie das bunte Treiben beobachtete. Das war kein Vergleich zu den Scheunenfesten in Lochdon, wenngleich diese sicher nicht weniger amüsant waren.
„Ziemlich einfallsreich, was die Menschen alles zu ihrem Vergnügen anstellen“ Sie folgte Cayden zu einer Sitzgruppe etwas abseits des Geschehens.
„Eine eloquente Philosophie des Wahnwitzes.“ Er deutete mit dem Kopf in eine Richtung.
Dort schien eine Gruppe Männer vertieft in eine angeregte Diskussion, während drei Damen in Unterkleidern auf einem Tisch standen. Im Takt der Musik wiegten sie ihre Körper und entledigten sich nach und nach ihrer Kleidungsstücke.
Ein Diener tauchte mit einem Tablett voller Absinthgläser auf. Sue griff eins, nahm sich aber vor, nur wenig von dem starken Alkohol zu genießen. Sie nippte an dem Getränk, welches ihr augenblicklich zu Kopf stieg. Doch vermutlich war nicht der Absinth allein verantwortlich. Leicht benommen glaubte sie, unsichtbare Engelsschwingen zu hören, die sich durch die Opiumschwaden des Salons entfernten.
„Darf ich Euch auch etwas zu trinken anbieten, Sir?“ Der Diener richtete sich mit einem bedeutungsvollen Tonfall an Cayden.
Dieser musterte den jungen Mann mit leicht zusammengekniffenen Augen. Aber natürlich, dort drüben im Separee.“ Er wies mit einem Kopfnicken auf eine mit goldgeprägtem Leder bezogene Palisade. „Die Dame wird uns einen Moment entschuldigen“, fügte er an Sue gewandt hinzu.
Ehe sie einen Einwand erheben konnte, waren die beiden verschwunden. Ihr blieb nichts übrig, als ihren Gedanken nachzugehen. Irritiert blickte sie in die Runde, doch niemand schien dem Verschwinden eines Gastes mit einem Diener in einem Nebenzimmer Beachtung zu schenken. Sue konnte sich keinen Reim darauf machen, warum Cayden sein Getränk woanders zu sich nehmen wollte. Vielleicht wollte er vorher den Waschraum aufsuchen. Eine Weile stand sie da und nippte an ihrem Absinth.
Aus dem Augenwinkel vernahm sie, wie sich die Gastgeberin mit leichtfüßigen Schritten näherte. Ihre schwarze Robe schien ausschließlich aus Spitze zu bestehen und schmiegte sich wie eine zweite Haut an den schlanken Oberkörper, um weiter unten in einem weit ausgestellten Rock auszulaufen. Cayden hatte bei ihrer Ankunft beiläufig auf die hochgewachsene Frau gedeutet und Sue darüber informiert, dass es sich um Gräfin Lilian de la Tour handelte. Das auffallend rote Haar der Gräfin war Sue im Laufe des Abends mehrfach aufgefallen, ebenso der Blick, den ihre Gastgeberin ihnen immer wieder zugeworfen hatte, während sie im Gespräch mit ihren zahlreichen Gästen war. Anscheinend hatte sie nun beschlossen, sich den Neuankömmlingen zuzuwenden. Sue stellte ihr Glas ab und erhob sich von ihrem Sitz. Mit gestrafften Schultern suchte sie hastig den Raum nach Cayden ab. Er konnte sie doch nicht mit der Gräfin allein lassen.
„So allein, Kindchen?“ Die Gräfin erreichte sie mit einem Schwall von teurem Parfum.
Aus der Nähe betrachtet sah sie die feinen Linien an den Augenwinkeln der ansonsten makellos schönen Frau. Sue räusperte sich. „Euer Haus ist wunderschön, eine würdige Kulisse für ein rauschendes Fest.“
Die Gräfin lachte kurz auf. „Ich gebe ständig rauschende Feste, doch bisweilen empfinde ich sie als ermüdend. Der Zweck heiligt eben nicht immer die Mittel.“
Verwundert blickte Sue sie an und verkniff sich die Frage, warum sie sich auf ihrem eigenen Fest langweilte. Doch die Gräfin richtete ihren Blick auf den Vorhang, hinter dem Cayden verschwunden war. Mit einem leisen Seufzer wandte sie sich wieder Sue zu.
„Er war lange nicht in meinem Hause zu Gast.“
„Sie sind eine Bekannte von Lord Maclean?“
Die Frau musterte Sue, als suchte sie in ihrem Gesicht nach einer Antwort. „So könnte man es inzwischen ausdrücken, und wenn ich Euch so anschaue, nun, erklärt sich mir einiges.“
Sue fühlte sich zunehmend unwohl, denn entweder war die Gräfin betrunken oder es gab einen Grund für den eifersüchtigen Ton in ihrer Stimme. „Oh, bitte verzeiht. Ich wollte Euch nicht zu nahetreten“, sagte Sue.
Die
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