Electrica Lord des Lichts
unmöglich passiert sein, was Lilian prophezeit hatte. Das Ganze musste ein unglücklicher Zufall sein. Die Frau war vergangene Nacht völlig außer sich. In solchen Momenten sagte man sicherlich die seltsamsten Dinge, ohne weiter darüber nachzudenken. Oder?
Cayden war die ganze Zeit mit ihr zusammen gewesen. Wie sollte er da losziehen und eine ehemalige Geliebte töten?Das ergab keinen Sinn. Zumal diese Beziehung für ihn längst als beendet galt. Sonst wäre er nicht mit ihr zu diesem Empfang gegangen. Sie presste die Hände gegen die Schläfen, um diese törichten Gedanken zu vertreiben. Sie konnte nicht Cayden einfach des Mordes bezichtigen, nur weil eine eifersüchtige Frau Unsinn von sich gegeben hatte. Er griff sie bei den Schultern und beugte sich zu ihr herab.
„Hör zu. Wir können uns später im Wagen unterhalten.“ Seine Hand strich über ihre Wange. „Dort wirst du dich wieder beruhigen. Ein solcher Anblick ist nichts für zartbesaitete Gemüter. Du hättest besser bei mir bleiben sollen.“
Damit hatte er recht. Insgeheim wäre ihr auch lieber gewesen, wenn sie sich nicht von ihrer Neugierde hätte übermannen lassen. Sie nickte und ließ sich über die Brücke ans andere Ufer führen. Langsam kamen ihre aufgebrachten Gefühle zur Ruhe.
Am Wagen angekommen, suchte Cayden die nähere Umgebung ab. Erst als er sichergehen konnte, dass sich niemand in der Nähe aufhielt, räumte er Zweige und Laubwerk vom Dach des Gefährts. Er wählte die Verstecke für seine auffällige Karosse stets mit Bedacht und Sue konnte sich nur allzu gut vorstellen, warum er das tat. Wenn jemand der Polizei von ihrem Zusammenstoß mit der toten Gräfin erzählt hatte, möglicherweise sogar ihre subtile Androhung mitbekommen hatte, könnten sie durchaus in den Kreis der näheren Verdächtigen geraten. Doch der Mann auf der Brücke hatte von Selbstmord gesprochen. Dennoch ging ihr der fadenscheinige Verdacht, Cayden könnte etwas damit zu tun haben, nicht aus dem Kopf. Sie trat von einem Fuß auf den anderen und warf immer wieder einen Blick über die Schulter wie eine Flüchtende. Erleichtert stieg sie ein, als Cayden ihr die Tür öffnete.
„Es war nicht der Anblick einer Leiche, der mir zu schaffen machte“, sagte sie, nachdem Cayden neben ihr Platz genommen hatte.
Erstaunt hob er die Augenbrauen. „Sondern?“
„Glaubst du, es war tatsächlich die Gräfin?“
„Es sah ganz danach aus.“ Er startete den Motor, dessen Röhren sicherlich meilenweit zu hören war. Kurz darauf fuhren sie die Landstraße entlang. „Was hat sie dir erzählt?“ Cayden richtete seinen Blick geradeaus.
„Dass du sie töten wirst“, erwiderte Sue und war erschrocken über ihre Direktheit. Die Worte waren ihr einfach herausgerutscht. Sie wagte einen vorsichtigen Seitenblick.
Cayden lächelte freudlos. „Und dann stimmt das also, ja?“
„Natürlich nicht. Doch für Außenstehende könnte es so aussehen.“ Jetzt fing sie auch noch an, seltsame Äußerungen von sich zu geben. Bestimmte Dinge schienen sich zu ändern, wenn man sie nicht nur dachte, sondern aussprach. Unbedachte Schlussfolgerungen konnten einen beträchtlichen Schaden anrichten. Schließlich konnten irgendwelche Äußerungen einer überspannten Frau nicht gleich den Beweis für einen Mord liefern. Peinlich berührt wurde sie sich plötzlich bewusst, wie überspannt ihre Worte klingen mussten. „Ich weiß es auch nicht …“
Endlich wurde es im Wagen warm. Sue lehnte sich in die Polster zurück. Caydens Stimme klang eigenartig monoton unter den Geräuschen des Motors.
„Lilian war schon immer eine labile Person. Verwöhnt und vom Leben gelangweilt.“ Er warf ihr einen kurzen Blick zu. „Bekam sie nicht, was sie wollte, inszenierte sie einen ihrer Versuche, sich das Leben zu nehmen. Das tat sie mit einem ausgeprägten Hang zur Dramatik. Natürlich wurde sie stets rechtzeitig gefunden, nicht selten von mir.“
„Dann ist es dieses Mal wohl gründlich danebengegangen.“ Sue konnte kaum glauben, wie abgeklärt ihre Stimme klang. Doch bei dem Gedanken, andere Menschen unter Druck zu setzen, indem man ihnen Angst einjagte, regte sich leiser Zorn.
„Möglicherweise hat sie dieses Mal ihren Plan zu Ende gebracht.“
Wieder betrachtete sie eingehend Caydens Profil und konnte nicht drum herum, sich einzugestehen, dass dieser Mann in der Lage war, einer Frau vollständig den Kopf zu verdrehen. Sich in ihn zu verlieben war sicherlich mit der Gefahr verbunden, sich zu
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