Electrica Lord des Lichts
Hände in die Luft.
„Halt sofort an“, befahl sie barscher als beabsichtigt und war umso überraschter, dass Cayden auf die Bremse trat. Ihr Oberkörper ruckte vor, doch sein Arm war schneller und bewahrte sie davor, mit dem Kopf auf das Mahagonibrett zu schlagen.
„Manchmal ist es besser, nichts zu wissen“, entgegnete er plötzlich ernst.
„Und vielleicht solltest du die Entscheidung darüber mir überlassen.“ Sie hatte das Gefühl, jeden Moment in Gebrüll ausbrechen zu müssen. Entschlossen öffnete sie die Tür und stapfte ziellos in die Dunkelheit. Wenigstens über ihre Beine konnte sie selbst verfügen. Die kühle Nachtluft vertrieb auf der Stelle ihre Beklemmung.
„Wohin willst du?“ Caydens Stimme klang gelassen hinter ihr.
„Ans Ende der Welt“, rief sie über die Schulter hinweg. Als sie wieder nach vorn blickte, blieb ihr beinahe vor Schreck das Herz stehen. Cayden stand plötzlich dort. „Herrgott noch mal, Cayden. Kannst du fliegen?“
„Nein, ich bin nur sehr flott.“
Sie schob sich an ihm vorbei und marschierte weiter.
„Du weißt, dass ich dich zwingen kann, wieder in den Wagen zu steigen.“ Er lief neben ihr her. Im Gegensatz zu ihr schien ihm nicht die Puste auszugehen.
„Ja. Und ich laufe erneut weg, damit du mich wieder zurückholst und ich wieder davonlaufe“, erwiderte sie atemlos. Das war eine Endlosschleife, die zu nichts führte.
„Es ist kalt“, versuchte er einzulenken.
„Das Laufen wird mich aufwärmen.“
Er hielt sie am Arm fest, um sie zum Stehenbleiben zu bringen. Silbriger Mondschein erhellte sein Gesicht, ließ seine Augen schimmern wie Sternenstaub. In ihren Kniekehlen kribbelte es, sodass sie schnell den Blick senkte.
„Also gut, Sue Beaton. Was möchtest du wissen? Ob ich ein Mörder bin?“
Sue gab einen ungeduldigen Laut von sich. „Nun, lass mich aufzählen. Du verschwindest ohne ein Wort und tauchst auf, wann immer es dir beliebt. Seit Jahren lebst du auf Duart Castle, ohne das dich jemand zu Gesicht bekommen hat. Du verfügst über seltsame Technologien, von denen sicher kaum einer eine Ahnung hat, außer vielleicht der König, dem du Kriegsmaschinerien verkaufst.“
Er zog ein missmutiges Gesicht. Offenbar mochte er es nicht, wenn man in ihn vordrang. „Ich verkaufe dem König Ideen, weil er der zahlungskräftigste Kunde ist. Was er damit macht, liegt nicht in meinem Ermessen.“
„Es ist trotzdem unmoralisch“, erwiderte sie trotzig, weil er im Grunde recht hatte. „Wenn du mit dem Tod der Gräfin nichts zu tun hast, warum wirkst du so gehetzt?“
Er schob das Kinn vor. „Ich will vermeiden, dass jemand auf uns aufmerksam wird. Die Gefahr wäre nicht kontrollierbar.“
Sue blickte ihn durchdringend an und fragte sich, ob Cayden möglicherweise ein Spion war. „Geht es dir darum? Um Kontrolle? Vernebelst du mir deshalb den Verstand?“
„Es ist kompliziert.“
„Dann hilf mir, es zu verstehen.“
Sie bemerkte ein Blitzen in seinen Augen und spürte, dass er ihr am liebsten alles erklären wollte. Jedoch war sie nicht mehr sicher, ob sie alles hören wollte und ehe sie sich versah, machte sie Anstalten zurückzugehen.
„Ich bin unsterblich“, sagte Cayden hinter ihr.
Wie vom Donner gerührt blieb sie auf dem Absatz stehen. Ein kalter Schauder zog über ihren Rücken. Allein die Tatsache, dass seine Worte vollkommen ernst klangen, erzeugte den unwiderstehlichen Drang, in hysterisches Gelächterauszubrechen. Mit geballten Fäusten drehte sie sich langsam um.
„Es gibt nicht den geringsten Anlass, sich über mich lustig zu machen.“
Cayden stand still da, umhüllt von der Nacht. Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen. „Ich wurde im Jahre 1640 in Lochdon als Sohn des 16. Laird Sir Lachlan Maclean geboren. Meine Eltern erfreuten sich an ihrem robusten Sohn, denn ich wurde nie krank. Es war ein geheimes Spiel, wenn Mutter meine aufgeschürften Knie heilpustete. Ich wurde erwachsen. Irgendwann hörte mein Körper auf zu altern und reagierte zunehmend empfindlich auf Tageslicht. Als Du- art Castle während eines Jakobitenaufstands an die Stewarts fiel, waren meine Eltern längst verstorben. Ich verließ meine Heimat und traf auf Baron Luthias. Er lehrte mich anzunehmen, was ich bin. Ein Vampir. Ich lernte, mein Dasein bei Nacht zu gestalten. Nach einer blutigen Fehde mit Luthias reiste ich durch die Welt. Erst als ich glaubte, der Baron sei endgültig vernichtet, kehrte ich nach Lochdon zurück. Doch ich habe mich
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