Elefantengedaechtnis
des Tabakladens übte, von einer Mauer aus Zeitschriften geschützt, ihr schematisches Englisch für wohlgesonnene Tommies an einem mittelalterlichen Ehepaar, das sich über diesen merkwürdigen Jargon wunderte, in dem es verschwommen das eine oder andere Wort wiedererkannte. Die Füchsin untermalte ihre Rede mit jeder Menge erklärender Jahrmarktskasperlegesten, während die anderen ihr mit Grimassen zurückmorsten, und der Freund, der von den Büchern abgelassen hatte, sah fasziniert diesem frenetischen Ballett von Wesen zu, die einander trotz ihrer fuchtelnden Bemühungen, eine gemeinsame Sprache zu finden, unabänderlich fremd blieben. Der Psychiater wünschte sich verzweifelt ein Esperanto, das die äußeren und inneren Distanzen zerstörte, die die Menschen trennten, einen verbalen Apparat, der fähig war, Morgenfenster in den dunklen Nächten eines jeden zu öffnen wie bestimmte Gedichte von Ezra Pound, die uns in betörender Enthüllung unvermittelt die eigenen Dachböden zeigen: die Gewißheit, auf einer zunächst für leer gehaltenen Sitzbank
einen Reisegefährten gefunden zu haben, und die Freude über das unerwartete Verständnis. Genau dies war es, was ihn am innigsten mit seiner Frau verband: verstanden zu werden, ohne sich mit Sätzen zu bekleiden, die Fähigkeit, einander mit einem schnellen Seitenblick zu verstehen, und das hatte nichts damit zu tun, daß sie einander gut kannten, weil es vom ersten Mal an, da sie sich begegnet waren, so gewesen war, sie waren damals beide noch sehr jung, und sie waren wie vom Blitz getroffen von der merkwürdigen, verborgenen Kraft dieses Wunders, das ihnen mit niemand anderem passierte, einer so vollkommenen und tiefen Verbindung, daß, so dachte er, wenn seine Töchter eines Tages ähnliches erreichten, es sich gelohnt haben würde, sie gemacht zu haben, und daß für sie dann alle Masern des Lebens gerechtfertigt wären. Vor allem die Ältere erschreckte ihn: Er fürchtete die Zerbrechlichkeit ihrer heftigen Wutausbrüche, ihre vielfältigen Ängste, die angespannten, grünen Augen in ihrem Cranachgesicht: Da er in Afrika im Krieg gewesen war, hatte er sie nie gefühlt, als sie sich im Bauch der Mutter bewegte, und er war monatelang nur ein Bild im Wohnzimmer gewesen, das man ihr mit dem Finger zeigte und das weder Konturen noch die Dichtigkeit des Fleisches besaß. In den flüchtigen Küssen, die sie tauschten, lebte so etwas wie der Rest dieses gegenseitigen Grolls, der mühevoll am Rande der Zärtlichkeit im Zaum gehalten wurde.
Der melancholische Admiral, der tressengeschmückt seine Pension neben dem Tabakladen des Restaurants aufbesserte und vom zittrigen Indien in der Ferne träumte, öffnete die Glastür, um zwei kompetent aussehende Männer durchzulassen, die beide eine Brille trugen und von denen einer zum anderen sagte:
– Ich habe reinen Tisch gemacht, du kennst mich ja. Ich bin zum Büro von dem Kerl getrabt und habe ihm gleich gesagt: Wenn Sie Gauner mich nicht sofort in meine Abteilung zurückversetzen, bleibt kein Auge trocken. Du hättest nur mal sehen sollen, wie dieser Arsch sich vor Angst in die Hosen geschissen hat.
Was bringt nur die Admiralportiers dazu, das Meer gegen Restaurants und Hotels, die Brücke auf dem Schiff gegen die geschrumpften Proportionen von abgetretenen Fußmatten einzutauschen, dachte der Arzt, und dabei die gewölbte Hand den Trinkgeldern entgegenzustrecken wie ein Elefant im Zoo seinen Rüssel zu den Karottensträußen des Pflegers? Georges, komm und sieh dir mein Land an, in dem die Seeleute in den salzlosen Wassern der Unterwürfigkeit schippern. Am Straßenrand winkten die bebrillten Kerle einem leeren Taxi zu wie zwei Schiffbrüchige einem gleichgültigen Schiff. Das mittelalterliche Ehepaar versuchte mit Hilfe des Katechismus einer Grammatik, Ausrufe in Zulu zustande zu bringen, in denen verzerrt Ähnlichkeiten mit dem Linguaphone-Portugiesisch der Sorte Der Garten meines Onkels ist größer als der Bleistift deines Bruders anklangen. Der Psychiater, der das Herauskommen der Schiffbrüchigen genutzt hatte, um im Profil wie die Ägypter aus dem Matoso-Geschichtsbuch in die Eingangshalle der Galerias zu schlüpfen, beantwortete die Verbeugung des Admirals mit einem annähernd militärischen Gruß und wunderte sich (wie immer), daß der Seemann nicht einen Spucketropfen auf den Mittelfinger absetzte und diesen hochhob, um die Windrichtung festzustellen, so wie die Korsaren mit der Augenklappe es immer in den
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