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Elefantengedaechtnis

Elefantengedaechtnis

Titel: Elefantengedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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erläuternden Vorwort herausgeben, Soundso, wie ich ihn gekannt habe. Du wirst dich Max Brod nennen und kannst mich in der Intimität des Bettes mit Franz Kafka anreden.
    Sie hatten den Admiral hinter sich gelassen, der sich stürmisch ins Taschentuchsegel schneuzte, und wegen des Brutkastenlichts seiner in Zebrastreifenrohren aus Messing verborgenen Lampen das mittlere Stockwerk ausgesucht. Die Leute aßen Schulter an Schulter wie die Apostel beim Letzten Abendmahl, und innerhalb der Hufeisen der Tresen wuselten die Kellner wie Insekten herum, in weißer Uniform, von einem Kerl in Zivil befehligt, der die Hände hinter dem Rücken
verschränkt hatte und den Psychiater an diese Bauaufseher erinnerte, die, einen Zahnstocher im Mund, den Galeerenmühen der Arbeiter zusahen: Er hatte nie verstanden, warum es diese autoritären, schweigenden Wesen gab, die, stumm an riesige, unterhosenblaue Mercedesse gelehnt, die Arbeit der anderen mit Graubarschaugen beobachteten. Der Freund beugte sich vor und pflückte die Speisekarte aus einer Metallschiene über Flaschen mit Senf und verschiedenen Saucen (kulinarische Schönheitsprodukte, dachte der Arzt), öffnete sie salbungsvoll wie ein Kardinal und begann leise, mit mönchischem Vergnügen die Speisen zu lesen: Er hatte nie zugelassen, daß diese genüßliche Operation ein anderer mit ihm teilte, während der Psychiater sich vorzugsweise für die Preise interessierte, ein Erbe seiner Eltern, bei denen die Suppe sich von einer Mahlzeit zur anderen in einem verwässerten Wunder unendlich multiplizierte. Eines Tages, er war bereits ein erwachsener Mann, tauchte auf dem Tisch eine Weinflasche auf, und die Mutter erklärte, indem sie die hellen Augen von einem verblüfften Nachkommen zum anderen wandern ließ:
    – Jetzt können wir es, Gott sei Dank.
    Meine Alte, dachte er, meine alte Alte, wir haben uns nie gut verstanden: Gleich nach der Geburt habe ich dich beinahe an Eklampsie sterben lassen, nachdem ich mit Zangen aus dir herausgezogen worden war, aus deiner Sicht bin ich durch die Jahre hindurch von einem Sturz zum anderen einem unbestimmten, aber sicheren Unglück entgegengegangen. Mein ältester Sohn ist verrückt, verkündetest du dem Besuch, um mein (deiner Meinung nach) merkwürdiges Verhalten zu entschuldigen, meine unerklärlichen Melancholien, die Verse, die ich heimlich ausschied, Kokons aus Sonetten für eine formlose
Angst. Die Großmutter, die ich sonntags mit Gedanken an den Hintern des Dienstmädchens besuchte und die im Schatten des Ruhms und der Orden zweier verstorbener Generäle lebte, warnte mich schmerzlich beim Beefsteak:
    – Du bringst deine Mutter um.
    Bringe ich dich um oder bringe ich mich um, meine Alte, die du so lange wie meine Schwester gewirkt hast, das kleine, hübsche, zerbrechliche Hirtenmädchen der Verse von Sardinha »aus Glas und Nebel«, dessen Stundenplan sich zwischen Proust und Paris-Match aufteilte, die Gebärerin männlicher Erben, die deine mageren Hüften und feinen Drahtknochen unberührt ließen? Ich habe von dir vielleicht das Gefallen am Schweigen geerbt, und der ständig schwangere Bauch hat dir nicht den Raum gelassen, mich so zu lieben, wie ich es nötig hatte, wie ich es wollte, bis es, als wir gegenseitig von unserer Existenz Notiz nahmen, du meine Mutter und ich dein Sohn, zu spät war für das, was ich meiner Empfindung nach nie bekommen habe. Das Gefallen am Schweigen und das Einanderanstarren wie Fremde, die durch eine unüberwindbare Distanz voneinander getrennt sind, was denkst du wohl tatsächlich über mich, über meinen unausgesprochenen Wunsch, zu einem langen traumlosen mineralischen Schlaf in deinen Uterus zurückzukehren, einer steinernen Pause in diesem Rennen, das mich erschreckt und das von außen gesehen aufgezwungen wirkt, einem rasenden, angsterfüllten Trab auf die Ruhe zu, die es nicht gibt. Ich bringe mich um, Mutter, und niemand, kaum jemand wird es merken, ich schaukle, am Strick eines Lächelns aufgehängt, weine in mir Grottenfeuchtigkeiten, Granitschweiß, heimlichen Nebel, in dem ich mich verstecke. Schweigen sogar in der Hintergrundmusik des Restaurants,
eine Rennie-Tablette als Violinschlüssel, die Schnellgeschlucktes für Strauße verdaulich machte, die im Eiltempo gemeinsam Pizzen verdrückten, eine Hintergrundmusik, die mich immer an sich im Sand der Notenlinien versteckende und mit hervorstehenden Äuglein honigsüß das Aquarium beobachtende Zweiunddreißigstelnotenseezungen denken

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