Elegie - Fluch der Götter
wollten. Am Tisch wurden rasche Blicke ausgetauscht. Aracus Altorus biss die Zähne zusammen. Sie erinnerte sich, wie er sich verhalten hatte, als sie Meronins Kopf dazu gebracht hatte, Worte auszusprechen, die er verabscheute; wie er auf den Tisch gesprungen war und eine Ellylon-Standarte wie einen Wurfspieß geschleudert hatte.
»Wie habt Ihr das zustande gebracht?« Gedankenvoll runzelte Ingolin die Stirn. »Haergan wirkte Ellylon-Magie und stand den Taten der Menschen ablehnend gegenüber. Sogar der Soumanië hätte nicht in der Lage sein dürfen, die Materie auf eine solche Entfernung zu beeinflussen.«
»Nein, Herr.« Lilias schüttelte den Kopf. »Ich habe Haergans Spiegel eingesetzt.«
»Ah.« Der Fürst der Riverlorn nickte. »Er befand sich im Drachenhort. « Kummer verdüsterte seine grauen Augen. »Wir haben uns immer gefragt, welches Ende Haergan gefunden haben mag. Es ist schwierig, die Gabe des Genies zu ertragen. Es ist eine gefährliche Gabe.«
»Allerdings«, sagte Lilias geistesabwesend. Obwohl sie nicht die Einzelheiten von Haergans Ende kannte, hallten doch Calandors Worte durch ihren Kopf, die von der Erinnerung an ein langsames, belustigtes Blinzeln begleitet waren. Vielleicht hätte ich ihn nicht aufgef ressssen, wenn er nützlicher gewesen wäre .
» Warum? « Es war die Ellylon-Frau, die dieses Wort ausgesprochen hatte. Ihre Stimme hatte den Klang von Glocken oder Silberhörnern; es war ein Klang, der das Fleisch der Sterblichen vor Freude zum Erzittern bringen würde, wenn er nicht von Wut durchtränkt gewesen wäre. Sie beugte sich vor; ihre flackernden Augen glühten vor Leidenschaft. » Warum tut Ihr so etwas? «
Ihre Worte hingen in der Luft. Niemand sonst sprach. Lilias schaute von einem Gesicht zum anderen. Offenbar war das eine Frage, auf deren Beantwortung alle warteten, und es war genauso offenbar, dass keiner von ihnen die Antwort verstehen würde.
»Warum wollt Ihr Haomanes Prophezeiung erfüllen?«, fragte sie die anderen. »Sagt mir das, und dann können wir einander vielleicht verstehen.«
»Lilias.« Malthus sprach ihren Namen sanft aus. »Das ist nicht das Gleiche, und das wisst Ihr genau. Urulat ist gespalten. Wir wollen das, was Haomane der Gedankenfürst will – das Land heilen und es zur Einheit und dem Glanz zurückführen, so wie es geschaffen wurde, bevor Satoris der Fluchbringer es zerstört hat.«
»Warum?«, wiederholte Lilias. Alle starrten sie ungläubig an – alle außer Malthus, der nachdenklich wirkte. Sie faltete die Hände auf dem Tisch und begegnete den Blicken der anderen. »Ich frage Euch in aller Auf richtigkeit, Fürsten und hohe Dame. War Urulat denn vor der Spaltung ein solches Paradies?«
»Wir besaßen das Licht der Souma!« Lorenlasse von Valmarés Stimme klang angespannt vor Wut, und seine hellen Augen glitzerten. »Wir sind Haomanes Kinder, und wir wurden von seiner Seite und von allem, was uns erhält, fortgerissen.« Er betrachtete sie mit tiefer Verachtung. »Ihr könnt nicht wissen, wie sich das anfühlt.«
»Lorenlasse«, murmelte Ingolin.
Lilias lachte laut auf. Sie hatte nichts mehr zu verlieren, und darin lag eine gewisse Freiheit. Sie deutete auf den leblosen Soumanië vor Aracus’ Stirn. »Fürst Lorenlasse, bis vor kurzer Zeit habe ich selbst ein Stück der Souma besessen. Ich habe die Fessel des Seins gedehnt und die Sterblichkeit im Zaum gehalten. Ich hatte die Macht, den Stoff des Lebens zu erschaffen, und ich hätte Eure Knochen wie Strohhalme brechen können, nur weil Ihr mich in diesem Ton ansprecht. Erzählt mir nichts darüber, was ich weiß oder nicht weiß.«
»Fürst Ingolin.« Die Ellyl-Frau wandte sich an den Herrn der Riverlorn. Ihre starre Haltung drückte deutlich ihre Abscheu aus. »Mir scheint, dass sich durch dieses Gespräch nichts erreichen lässt.«
»Haltet ein, Dame Nerinil.« Malthus hob die Hand und brachte sie zum Schweigen. »Es mag durchaus ein Wert darin liegen. Lilias.« Er richtete den Blick auf sie. Inmitten der Ellylon wirkte er alt und verbraucht. »Eure Fragen sind wichtig«, sagte er. »Ich will eine von ihnen beantworten. Ja, Urulat war einmal ein Paradies. Im ersten Zeitalter, bevor die Welt gespalten wurde, als sie neu erschaffen war und die Schöpfer noch unter uns weilten.« Malthus lächelte; Freude verwandelte sein Gesicht. »Als die Menschen den Neid noch entdecken mussten und alle Fähigkeiten der Ellylon besaßen, als die Wehre nur mit dem Segen Oronins gejagt wurden und
Weitere Kostenlose Bücher